Burgenlands Unternehmen – das historische Erbe der Esterhazy Betriebe (Teil 1)

Wenn man sich mit der Geschichte über eines der größten Unternehmen des Burgenlandes beschäftigt und dieses noch dazu den altehrwürdigen Namen des Hauses Esterházy trägt, bietet es sich an, den zeitlichen Rahmen ein Alzerl auszudehnen.

Esterhazy

Denn die eigentliche Unternehmenshistorie der heutigen Esterhazy Betriebe GmbH setzt rechtlich den Markstein im Jahre 2002 an. Diese beiden Jahrzehnte würden den Jahrhunderten an zugrundeliegender Vorgeschichte jedoch unrecht tun und wichtige Ereignisse im Vorfeld der Unternehmenswerdung ausklammern.

Deshalb teilen wir diese mit vielen Seitenästen gespickte Firmengeschichte in zwei separate Teile auf. In diesem Beitrag fokussieren wir uns auf die historischen Ereignisse und den Kontext der Esterházy-Adelsfamilie auf breiterer Ebene. Im zweiten Teil betrachten wir den Kern des Geschäftsmodells der Esterhazy Betriebe und erläutern auf Basis des vorliegenden Zahlenwerks die wirtschaftliche Perspektive des in drei Stiftungen konstruierten Firmenkonglomerats.

 

Historischer Ursprung heutiger Firmenwerte

Wo liegt der Ausgangspunkt, an dem wir bei einer Institution wie den Esterhazys ansetzen sollen? Auf die Gefahr hin, sich in einer geschichtlichen Abhandlung zu den einzelnen Grafen, Fürsten, Palatine und späteren Reichsfürsten zu verlaufen, sprechen wir die unverbindliche Empfehlung aus, folgendes Video anzusehen. In der Dokumentation wird die Bedeutung und der Aufstieg der Esterházy in den Hochadel der Donaumonarchie in gut vierzig Minuten umfänglich behandelt:

 

Es sind dem Verdienst der militärischen Leistungen gegen das osmanische Reich und der generationsübergreifenden politischen Unterstützung der Habsburger seitens der Esterházy geschuldet, dass sie sich zu den reichsten Magnaten Ungarns empor entwickelten. Die erworbenen Herrschaften und Besitztümer im heutigen Nord- und Mittelburgenland stehen auch aktuell im Zentrum der Esterhazy Betriebe, bilden sie doch größtenteils die Substanz für die wirtschaftliche Gebarung des Unternehmens. An dieser Stelle sind zu erwähnen:

  • Schloss Esterházy und Schlossgarten in Eisenstadt
  • Burg Forchtenstein
  • Schloss Lackenbach
  • Steinbruch in St. Margarethen
  • Landsee und Pauliberg im Bezirk Oberpullendorf
  • Diverse Liegenschaften an Ufern rund um den Neusiedler See
  • Forstwirtschaften, Äcker und Weingüter im Burgenland

 

Finanzielle Misere und Zwischenkriegszeit

Das späte 18. sowie der Großteil des 19. Jahrhunderts waren geprägt von dauerhaften finanziellen Problemen und einer späteren vollstreckten Zwangsverwaltung, die für einige Jahrzehnte als schmerzhafte Konsequenz dem üppigen Lebensstil der Esterhazys folgte. Während Teile des Tafelsilbers wie Juwelen und Bilder aus der familieneigenen Galerie verkauft werden mussten, konnten die Landbesitzungen weitestgehend gehalten werden. In der Gutsverwaltung setzte man auf die Landwirtschaft und Viehhaltung sowie die Organisation des Postverkehrs zwischen Wien und den Städten des Reiches in Transleithanien. Eine nachhaltige Konsolidierung der finanziellen Lage setzte unter dem vorletzten Majoratsherrn Nikolaus IV. (1869-1920) ein. Dank seiner Sparambitionen war das nötige Kapital für die Restaurierung der schwer in Mitleidenschaft gezogenen Residenzen wie beispielsweise das pompöse Schloss Esterháza wieder vorhanden.

Zweifellos stellte in vielerlei Hinsicht der Untergang der Donaumonarchie nach dem Ende des Ersten Weltkrieges im Jahr 1918 eine Zäsur dar. Das Auseinanderbrechen des Vielvölkerstaates Österreich-Ungarn führte zur Aufteilung der Besitztümer in verschiedenen, nun unabhängigen Nationalstaaten, die früher Teil eines Reiches waren. Zudem enstandt das neunte und jüngste Bundesland der noch jungen Republik Österreich, auf dessen Gebiet sich die österreichischen Besitzungen der Ersterhazys konzentrierten: das Burgenland. Weiters konfiszierte die kommunistische Räterepublik in Budapest hunderte Kunstobjekte des Hauses Esterházy. Dieser Streit um die Rückgabe der Kunstschätze beschäftigt die Gerichte auch im 21. Jahrhundert noch.

 

Schwere Zeiten nach 1945

Die turbulenten Zeiten setzten sich in den 1920er und 1930er Jahren fort: Bürgerkrieg, autoritäre Regime in Österreich (austrofaschistischer Ständestaat) und Ungarn (Horthy-Regime). Der von Nazideutschland begonnene Zweite Weltkrieg führte zur Einstufung der Esterházy Domäne als kriegswirtschaftlich wichtigen Betrieb. Nach Ende des verheerenden Krieges wurden im Zuge der Bodenreform in Ungarn die dort gelegenen Besitzungen, circa 128.000 Hektar, enteignet.

Paul Esterházy, seit 1920 als Paul V. der zwölfte und letzte Majoratsherr, wurde aufgrund der Enteignung nahezu mittellos auf ungarischem Boden. Ferner gingen auch die Güter in der damaligen Tschechoslowakei verloren. Zuletzt wurden die Besitzungen im Burgenland von der sowjetischen Besatzungsmacht konfisziert und im Jahr 1946 unter der Obhut der sogenannten USIA, der Verwaltung des sowjetischen Eigentums in Österreich, gestellt.

Zu allem Überfluss inhaftierte das von der Sowjetunion abhängige, abermals kommunistische Ungarn den Fürsten Paul V. wegen einer angeblichen Verschwörung. Im Jahr 1949 verurteilte man den prominenten Aristokraten zu 15 Jahren Kerkerhaft.

Nach dem Staatsvertrag im Mai 1955 und dem darauffolgenden, lange herbeigesehnten Abzug der Sowjets erhielten die Esterhazys ihre österreichischen Besitzungen wieder zurück. Die Ambitionen des ungarischen Regimes unter „Stalins bestem Schüler“ Mátyás Rákosi, auch den österreichischen Esterházy-Besitz als Auslandsvermögen des ungarischen Staates zu reklamieren, wurde seitens Österreichs abgeschmettert.

Im Zuge des Ungarnaufstands 1956, Rákosi hatte bereits im Vorfeld Budapest in Richtung der Sowjetunion verlassen, gelang die spektakuläre Flucht von Paul V. nach Österreich und später in die Schweiz, wo sich Paul mit seiner Gattin Melinda in Zürich fortan niederließ.

Bis zu seinem Tod im Jahr 1989 lenkte Paul V. die Geschicke der Esterházy Domäne aus dem Schweizer Exil. Seine Frau Melinda übernahm daraufhin die Verantwortung über die verbliebenen Besitztümer, Schlösser, Palais und Sammlungen und brachte das historische Erbe 1994 in drei Privatstiftungen ein.

Dem jüngsten Kapitel über die Transition der Fürstlichen Domänenverwaltung hin zu einem Leitbetrieb im pannonischen Raum und die andauernde Fortentwicklung in Gestalt der Esterhazy Betriebe widmen wir uns en détail im zweiten Teil.

 

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