In unserer neuen Serie betrachten wir jeden Bezirk des Burgenlandes unter demographischen Gesichtspunkten wie Bevölkerungsentwicklung, Arbeit, Wohnen und Mobilität. Wir beginnen in Burgenland-Mitte: Oberpullendorf
Vor einigen Monaten berichteten wir in einer fünfteiligen Beitragsserie über die Situation im Südburgenland. In jedem Teil analysierten wir die aktuelle Lage anhand unterschiedlicher Schwerpunkte wie Arbeit, Wohnen, Bildung, Gesundheit etc. Unter Zuhilfenahme dieses Orientierungsrahmens möchten wir nun im (mehr oder weniger) regelmäßigen Abstand die einzelnen sieben Bezirke des Landes und die beiden Freistädte Eisenstadt und Rust (am See, eh kloar) in analytischer Manier durchgehen. Den Auftakt bildet Burgenlands Mitte zwischen dem Sieggrabener Sattel und des Geschriebensteins liegend: Oberpullendorf.
Den Ausgangspunkt, der oftmals für den demographischen Vergleich unterschiedlicher Regionen herangezogen wird, ist die Bevölkerungsentwicklung im historischen Vergleich. Gewohnt faktenbasiert erkennen wir auf den ersten Blick, dass die Bevölkerung seit Jahrzehnten bei knapp 38.000 lebenden Menschen im Bezirk Oberpullendorf gewissermaßen stagniert.
Bevölkerung in der historischen Entwicklung nach Bezirken von 1923 bis 2021 (Quelle: Statistik Burgenland)
Auch die Prognose für die Bevölkerungsentwicklung liest sich zaghaft optimistisch, aber immerhin im direkten Vergleich mit den beiden südlichsten Bezirken Güssing und Jennersdorf leicht anwachsend.
Bevölkerungsschätzung nach Bezirken bis 2075 (Quelle: Statistik Burgenland)
Im Bereich der Mobilität kann das Mittelburgenland mit dem gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln ausgestatteten Nordburgenland nicht mithalten. Immerhin überdauerte mit dem Kopfbahnhof in Deutschkreutz ein letzter Teil der alten Burgenlandbahn (früher auch Günser Bahn genannt) zwischen Sopron und Köszeg als Überbleibsel von Bahninfrastruktur im Bezirk. Die Strecke nach Wien-Meidling ist zwar nicht von kurzer Dauer, doch sind Pendler aus dem Burgenland erprobte Langzeitfahrer, um an den Arbeitsplatz in der Hauptstadt oder sonst wo zu gelangen.
Ansonsten entnehmen wir dem Mobilitätsinfoblatt, dass neben einer Stadtlinie 7998 für die Bezirkshauptstadt noch diverse Buslinien existieren, um nach Wien, Eisenstadt oder Mattersburg öffentlich zu pendeln.
Fahrplanabfrage auf der ÖBB-Website (Quelle: ÖBB)
Das mit dem Arbeit finden im Heimatbezirk ist per se keine simple Sache. Dem Anspruch gerecht zu werden, einen der eigenen Ausbildung entsprechenden Job zu finden, ist je nach Anforderungsprofil mitunter eine unlösbare Aufgabenstellung. Unser erster Annährungsversuch startet mit der umfassenden Erwerbsstatistik, welche die Statistik-Abteilung des Land Burgenland für das Jahr 2019 zur Verfügung stellt:
Burgenlands Erwerbstätige und Pendler im Überblick (Quelle: Statistik Burgenland)
Für den Bezirk Oberpullendorf beträgt der Anteil an Pendler zwischen 76, was im Wesentlichen dem Burgenland-Durchschnitt entspricht (74%). Anders ausgedrückt finden von hundert erwerbstätigen Ortseinwohnern weniger als ein Viertel davon eine Arbeit in derselben Wohngemeinde. Immerhin kann fast ein Drittel der Pendler einer Arbeit im selben Bezirk nachgehen. Mit der Therme Lutzmannsburg befindet sich im Bezirk ein Zugpferd in puncto Schaffung von Arbeitsplätzen vor Ort.
Die Coronakrise bedeutet(e) für den Arbeitsmarkt eine Zäsur. Allmählich setzt die Erholung ein und ein Rückgang an Beschäftigungslosen dürfte sich durch das Hochfahren des Aktivitätspegels in den Tourismushochburgen weiterhin fortsetzen. Bleibt abzuwarten wie sich die wirtschaftliche Situation im Zuge des Krieges in der Ukraine, steigenden Preisen durch Inflation und wohl bald anziehenden Zinsen in naher Zukunft entwickelt. Die Zahl der Beschäftigungslosen, also jener Personen, die beim Arbeitsmarktservice (AMS) als arbeitslos vorgemerkt sind oder an Schulungen teilnehmen, und die Anzahl an offenen Stellen gegenübergestellt, bedeutet, dass im März 2022 auf fast jede dritte Person ohne Arbeit im Mittelburgenland eine offene Stelle in derselben Region entfällt:
Beschäftigungslose und offene Stellen auf Basis der Zahlen für März 2022 (Quelle: AMS Burgenland)
Wer einen Arbeitsplatz hat und diesen aufgrund einer ausreichend ausgebauten Infrastruktur in zumutbarer Zeit erreichen kann, dürfte sich wohl ernsthaft damit auseinandersetzen, sich in der Heimatregion dauerhaft niederzulassen. Die Grundstückspreise zogen auch im Burgenland in den letzten beiden Jahrzehnten ordentlich an, doch wirken die auf dieser Website veröffentlichten Preisdaten (ja, es handelt sich um Durchschnittswerte) halbwegs erschwinglich:
Übersicht Grundstückspreise im Bezirk Oberpullendorf (Quelle: Simil.io)
Zuletzt werfen wir einen Blick auf die aktuelle Situation im Gründerwesen. Diese lässt die begründete Hoffnung zu, dass die lokalen Wirtschaftstreibenden im Oberpullendorfer Bezirk selbst das Heft in die Hand nehmen. Ein Indikator für die Entfaltung des unternehmerischen Potentials im Mittelburgenland ist die jährliche Statistik der Wirtschaftskammer zu den Neugründungen. Insbesondere die im Fachjargon als Gründungsintensität zitierte Kennzahl, welche die Anzahl an Unternehmensgründungen je 1.000 Einwohner ins Verhältnis setzt, zeigt eine positive Tendenz und unterstreicht das verstärkte Bemühen in den letzten Jahren zur aktiven Betriebsansiedlung.
Darstellung zu Unternehmensneugründungen und Gründungsintensität im Jahr 2021. (Quelle: WKÖ Burgenland)
Wie hat euch unser Lagebild zur Situation in Oberpullendorf gefallen? Teilt uns gerne eure Meinung mit einem Kommentar mit!
Zum Nachlesen Südburgenland-Serie: