Burgenlands Unternehmen – Neudoerfler Möbel vom Familien- zum österreichischen Leitbetrieb

Im dritten Teil unserer Serie werfen wir einen Blick auf die Unternehmensgeschichte eines wahrlich burgenländischen Traditionsbetriebes: Neudoerfler Office Systems GmbH.

Neudoerfler

 

Unsere Reise durch die burgenländische Unternehmenslandschaft setzen wir nur unweit des Handlungsortes im letzten Beitrag fort. Der Büromöbelausstatter aus Neudörfl, heute firmierend unter Neudoerfler Office Systems, feiert heuer das 75-jährige Firmenjubiläum. Wir unternehmen einen Streifzug durch die wechselhafte Geschichte von der Nachkriegszeit bis zur Entwicklung zum international agierenden Leitbetrieb.

Die Wirren in der Nachkriegszeit und eine darniederliegende Wirtschaft in der noch jungen Zweiten Republik, sind wahrlich nicht die besten Voraussetzungen für die Gründung eines eigenen Unternehmens. Des Weiteren erschwerten die erlittenen Kriegsschäden durch die zahlreichen Bombenangriffe auf die vollkommen zerstörte Stadt Wiener Neustadt, wo sich wichtige Rüstungsbetriebe damals konzentrierten, die Lage im Nachbarort Neudörfl nicht unbeträchtlich. Der Ort profitierte einst von der unmittelbaren Nähe und wirtschaftlichen Verflechtung, da die angesiedelte Industrie vielen Neudörflern (damals wohl mehrheitlich die männliche Arbeiterschaft) einen Arbeitsplatz bot – eine interessante Parallele zu Neufeld an der Leitha, ebenso an der Grenze zwischen Cis- und Transleithanien liegend. In den Jahren des Zweiten Weltkriegs wurde die Produktion teilweise nach Neudörfl ausgelagert wie etwa die Fertigung der Messerschmitt-Jagdflugzeuge für die Wiener Neustädter Flugzeugwerke.

 

Kriegsgefangenschaft, Scheibtruhen und T-156

Just im Jahr 1946 und in einer Zeit in der es zu Hungerdemonstrationen in Neudörfl kam, nahm der gelernte Tischlermeister Karl Markon sein Glück in die Hand. Nachdem man ihn aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft entließ, gründete Markon als alleiniger Geschäftsführer am 12. Juni die Neudörfler Türen-, Fenster- und Möbelfabrik Ges.m.b.H. Es sollte nicht die erste Unternehmensgründung sein, doch war seine Bautischlerei in Wien-Ottakring von den Franzosen konfisziert und nicht mehr verfügbar – was sich später als Glücksfall für die burgenländische Holzindustrie erweisen sollte. In einer leerstehenden Fabrikhalle der ehemaligen Weberei „Erste Ungarische mechanische Putzbaumwollfabrik Brüder Preis“, die während des Kriegs von der deutschen Wehrmacht zweckentfremdet wurde und in der die russische Besatzungsmacht keine weitere Verwendung sah, fand Markon den geeigneten Standort für die Tischlerei.

Das stetige Anpassen an neue Situationen war von der ersten Stunde an eine sprichwörtlich überlebensnotwendige Tugend. So erteilte man dem Jungunternehmer den ungewöhnlichen Auftrag, 3.000 Scheibtruhen für den Wiederaufbau des zerbombten Wiener Neustadts zu fertigen. Mit über dreißig Mitarbeitern wuchs das Unternehmen rasant. Der initiale Stoß und damit für die nachhaltige Positionierung als Büroausstatter am Markt mitverantwortlich, war ein Großauftrag durch die burgenländische Landesregierung: 300 Schreibtische für das Landhaus in Eisenstadt bildeten den Start für die serienmäßige Produktion von Büromöbeln. Der Schreibtisch T-156 als federführendes Leitprodukt machte sich in den österreichischen Beamtenstuben breit.

 

Auf Wachstum folgt Krise und vice versa

Was in den Jahrzehnten folgte im Stakkato: Aufnahmewelle an neuen Mitarbeitern, Neubau einer modernen Möbelfabrik, Etablierung betriebswirtschaftlicher Prozesse und Administration, anorganische Expansion durch Erwerb anderer Firmen, laufende Produkt- wie Segmenterweiterung. Einher mit dem Wachstum ging eine verstärkte Internationalisierung der Neudoerfler Büromöbel, vor allem nach Deutschland und in die Schweiz.

In Zahlen gesprochen stieg der Umsatz innerhalb von 30 Jahren enorm: den 90 Millionen Schilling im Jahr 1970 standen 1999 über 500 Millionen im Jahresabschluss gegenüber. Der Gründerpionier Karl Markon trat 1995 als geschäftsführender Gesellschafter ab und übergab die Firmenleitung an seine Tochter Monika Klettenhammer-Markon und deren Mann Gerhard Klettenhammer. Im Alter von 94 Jahren verstarb der gebürtige Grazer und bekennende Sozialdemokrat.

Mit dieser Zäsur ging eine wirtschaftlich schwierige Zeit einher. Trotz betriebener Mehraufwande zum Rebranding und Internationalisierung, schlitterte Neudoerfler in die roten Zahlen. Im Zuge einer weitreichenden Restrukturierung übernahmen zwei Beteiligungsgesellschaften die Geschäfte und damit in weiterer Konsequenz die hundertprozentige Eigentümerschaft. Die Gemeinde Neudörfl unterstützte den vormaligen Familienbetrieb, indem sie für eine Haftung in Millionenhöhe zeichnete.

Im Verlauf der 2010er Jahre erlang Neudoerfler die Marktführerschaft im Bereich Büro- und Sitzmöbel. Ende 2015 gliederten die Unternehmenslenker den burgenländischen Traditionsbetrieb in die BGO Holding ein, in der u.a. bekannte Marken wie bene oder hali vereint sind. Das Erbe Karl Markons im neuen Gewand – sowohl was den firmenrechtlichen Mantel wie die Markenpositionierung betrifft – findet auch nach 75 Jahren wechselhafter Unternehmensgeschichte seine Fortsetzung, die Stellschrauben am burgenländischen Standort sind auf weiteres Wachstum gestellt.

 

Wie erlebt ihr das „industrielle Erbe“ im Burgenland? Teilt uns gerne eure persönliche Wahrnehmung und Erfahrungen mit einem Kommentar mit!

Unser Lesetipp:

  • Sehr gut aufbereitete Unternehmensgeschichte auf der offiziellen Firmen-Website mit interessantem Fotomaterial
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