In unserem dritten Teil zur Analyse der Ist-Situation im Südburgenland widmen wir uns den beiden Themen Gesundheit und Bildung.
Ohne dem Einen (Gesundheit) bringt selbst das Beste vom Anderen (Bildung) wenig im Leben. Wir, verkannte Philosophen vor dem Herrn, schauen uns in diesem Beitrag die Themen Bildung und Gesundheit im Südburgenland etwas genauer an.
Bildung ist alles – Daten auch
Entlang des individuellen Lebenslaufs – von der Wiege bis zur Bahre (wobei wir das Eintreten in die Berufswelt nicht missverständlich als Ende sehen) – möchten wir uns bei dem Thema Bildung nach vorne arbeiten. Gleich vorweg: Daten zum Bildungssektor sind auf Bezirksebene so reichlich vorhanden wie der Tasmanische Wolf. Schweren Herzens müssen wir uns zum Teil auf sehr generischen Terrain zurecht finden. Die Konsequenz daraus ist, dass unsere Thesen eher auf anekdotischer Evidenz mit einer gehörigen Portion Subjektivität basieren. Wir wagen uns trotzdem.
Ausgehend von der Elementarpädagogik bildet das Eintreten des Nachwuchses in den Kindergarten die erste große Zäsur in der Entwicklung. Die burgenländische Landesregierung entschied sich im Herbst 2019 dafür, dass alle Kindergärten und Krippen gratis als Betreuungsstätte der Bevölkerung zur Verfügung stehen. Dieser progressive Schritt (wohlgemerkt fand die Burgenland-Wahl im Jänner 2020 statt) änderte dennoch nichts an der wenig schmeichelhaften Position des Burgenlandes als Schlusslicht bei den Öffnungszeiten. Ein breites Angebot für Nachmittags- und Ferienbetreuung ist für arbeitende Eltern eine Grundvoraussetzung, um den Trend zur Teilzeitarbeit entgegenzuwirken.
Wenn wir uns auf die Daten von der Website des Bildungsserver berufen, dann existieren derzeit in den Bezirken Güssing (22), Jennersdorf (15) und Oberwart (36) insgesamt 73 Volksschulen. Die bestehende und mit Investitionen aufrechtzuerhaltende Infrastruktur ist gekoppelt an der Schüleranzahl, die demographische Entwicklung für die beiden südlichen Bezirke prognostiziert ungünstige Bedingungen für ein Fortbestehen. Beispiele dafür: während der Verbleib der Volksschule in Henndorf vorerst in Richtung Sanierung des Gebäude geht, sah man in Großmürbisch keine Zukunft mehr: die geschlossene Volksschule wird zu einem Wohnkomplex umgebaut.
Maturiert wird daham, Studiert auswärts
Überspringen wir die im Bildungsjargon „Sekundarstufe I“ genannte Phase der allgemeinen Schulpflicht geflissentlich, finden wir für die Schülerinnen und Schüler ab 14 Jahren ein verhältnismäßig doch stark diversifiziertes bzw. „ausgefranstes“ Bildungsangebot vor: ein bilinguales Gymnasium in Oberwart, die über die Landesgrenzen hinaus bekannte Höhere technische Lehranstalt in Pinkafeld, die Bundesbildungsanstalt für Elementarpädagogik in Oberwart, eine landwirtschaftliche Fachschule in Güssing usw. Dazu besteht in jeder Bezirkshauptstadt die Möglichkeit die Matura an einem (Oberstufen-)realgymnasium zu absolvieren. So weit, so gut.
Je nach Matura-Schultyp und/oder Ableisten des Präsenzdienstes stellt sich die Frage des Studieren-gehens. Spätestens hier beginnt für viele junge Erwachsene das Pendeln bzw. Abwandern in die Städte der angrenzenden Bundesländer Steiermark und Niederösterreich bzw. für die deutliche Mehrheit direkt nach Wien:
Burgenlands Studentinnen und Studenten an Österreichs Universitäten (Quelle: Statistik Burgenland)
Für das Südburgenland relevant ist, dass die FH Burgenland neben dem Standort Eisenstadt einen zweiten Campus in Pinkafeld anbietet. Dieser wird gerade um rund 30 Millionen Euro ausgebaut und im Herbst 2023 laut Plan fertiggestellt.
Das Thema Bildung beinhaltet für uns jedoch nicht nur den „klassischen Bildungsweg“. Im Zeitalter von „Lebenslanges Lernen“ spielen, für die kontinuierliche Weiterbildung bzw. dem zweiten Bildungsweg, andere Möglichkeiten eine bedeutende Rolle. Digitale, ortsunabhängige Bildungsangebote seien an dieser Stelle anzuführen und werden sich in der Post-Covid-Zeit dauerhaft etablieren (behaupten wir einmal wagemutig!). Dazu gesellen sich die unterschiedlichsten freiwilligen Angebote für Seminare, Kurse und sonstige Veranstaltungen durch diverse Organisationen im ehrenamtlichen Vereinswesen.
Gesundheit im Südburgenland
Um Gesundheit dreht sich alles. Denn sie betrifft jedermann und jederfrau in unserem täglichen Leben. Zugegeben, die Recherche zu diesem riesigen Thema stellte sich als recht aufwendig heraus, denn brauchbare Daten – vor allem aufgeschlüsselt in einzelne Bezirke – sind öffentlich nicht auffindbar. Gut. Beschäftigen wir uns halt mit dem, was vorhanden ist:
Vom Aussterben der Landärzte…
Die Landflucht der Ärzte ist sicherlich kein spezifisch südburgenländisches Problem. Während man im Österreichvergleich vor allem bei den Allgemeinmedizinern im Burgenland (noch) überdurchschnittlich gut aufgestellt ist (siehe Grafik), gibt es bei der Inneren Medizin und der Frauenheilkunde (vor allem im Südburgenland) Verbesserungsbedarf.
Ärztliche Versorgungseinheiten im Burgenland (Quelle: Burgenländischer Gesundheitsbericht 2017 )
Glaubt man den Prognosen, zeichnet sich jedoch ein düsteres Bild ab: in den nächsten zehn Jahren werden rund die Hälfte (!!) aller Allgemeinmediziner und Fachärzte in Pension gehen. Dass manche Kassenplanstellen zig male ausgeschrieben werden müssen, weil sich kein Bewerber findet, ist bereits heute Realität. Vor allem strukturschwache Gegenden wie im Südburgenland abseits der Thermen- und Bezirksvororte sind da enorm betroffen.
Ein Positivbeispiel wie es in der Zukunft aussehen könnte ist möglicherweise das Gesundheits-Netzwerk Raabtal . Hier haben sich vier Ärzte zusammengetan und bieten umfassende Gesundheitsdienstleistungen für rund 6.000 Menschen an. Immerhin machen sechs Gemeinden im Bezirk Jennersdorf mit.
Krankenhäuser
Im Südburgenland gibt es mit Güssing und Oberwart zwei bekannte Krankenhäuser. Während man beim Ausbau im Krankenhaus in Oberwart vom größten Bauprojekt in der burgenländischen Geschichte spricht, wurde das Angebot in Güssing kontinuierlich verkleinert. 2006 kam das Aus für die Geburtenstation, 2018 folgte dann die Schließung der Gynäkologie in Güssing. Seitdem konzentriert man sich im Krankenhaus Güssing auf Orthopädie, Innere Medizin und Rheumatologie. Ob diese Strategie politisches Kalkül, oder der schrumpfenden und vor allem auch älter werdenden Bevölkerung in den beiden südlichen Bezirken geschuldet ist, vermögen wir mit unserem Blog nicht zu beantworten. Eines steht jedenfalls für werdende Eltern aus dem Süden fest: Will man für den Nachwuchs weiterhin einen Geburtsort im Burgenland in der Geburtsurkunde stehen haben, muss man wohl oder übel eine längere Anfahrt in Kauf nehmen. Im Extremfall 75 km (von Kalch nach Oberwart). Die Realität schaut freilich anders aus, denn da wird der Nachwuchs wohl eher in den näher gelegenen Spitälern in Feldbach oder Fürstenfeld auf die Welt gebracht. Aus unserer Sicht ein weiteres Indiz für die Orientierung – vor allem des Bezirkes Jennersdorf – in Richtung Steiermark.
Eine kleine Anmerkung am Rande noch: Mit Oberwart und Hartberg (in der Steiermark) gibt es zwei Landeskrankenhäuser, die nicht einmal 20 km voneinander entfernt sind. Dieses Beispiel an gelebtem österreichischem Föderalismus ist uns fast eine eigene Geschichte wert. Doch dazu ein andermal mehr…
Wie erlebt ihr die Situation im Südburgenland? Teilt uns gerne eure persönlichen Wahrnehmungen und Erfahrungen mit einem Kommentar mit!
Als Mutter möchte ich ergänzen das eines unserer Kinder mit einer der beiden ortsansässigen Hausgeburtshebammen aus dem Südburgenland (Josy Kühberger und Karin Breuer) das Licht der Welt sanft sowie ruhig und ohne Stress im Kreise der Familie erblicken durfte. Dafür sind wir sehr dankbar. Auch Hebammen dürfen hier gerne mehr werden.
Ich habe auch sehr gute Erfahrungen mit der ansässigen Naturheilpraktikerin nach deutschem Recht gemacht.
Einzig das Massageangebot sowie komplementärmedizinische Leistungen sind sehr rar gesäht und es lohnt sich gut vernetzt zu sein!
Jedoch es stimmt, für den Besuch beim Gynäkologen ohne mindestens 3monatige Wartezeit fährt Frau durchaus nach Graz oder Wien zu einem gut geschulten und gesprächsbereiten Arzt mit Erfahrung.
Hat jemand darüber Informationen, ob und wie es möglich ist medizinische Leistungen in Ungarn sowie Slowenien zu nützen, wenn es hier im Südburgenland so schwierig ist hier jemanden zu finden oder gar einen Termin zu ergattern?
Wo wären denn die nähesten Krankenhäuser und Ort mit diversen Fachärzten im Dreiländereck?
Dankeschön für die Informationen! 🙂
Hallo Sandra,
das Thema „Gesundheit“ ist wirklich eine Herausforderung abseits der städtischen (Groß-)Infrastruktur. Mittlerweile arbeiten einige Gemeinden daran, die Umgebung dahingehend zu attraktivieren, damit sich überhaupt die Hausärztin bzw. der Hausarzt vor-Ort niederlässt.
Wäre auch interessiert, wie die medizinische Versorgung im Dreiländereck aussieht. Im Norden hat sich bekanntermaßen Sopron zum Zahnarzt-Mekka etabliert 🙂
LG
Clemens