Südburgenland (Teil 4) – Arbeit und Wohnen im Fokus

In unserem vierten Teil zur Analyse der Ist-Situation im Südburgenland widmen wir uns den beiden Themen Arbeit und Wohnen.

Südburgenland Analyse

Ähnlich wie bei Gesundheit und Bildung im letzten Teil dieser Serie, korrelieren auch die beiden, im Mittelpunkt des heutigen Beitrages stehenden Themen: Arbeit und Wohnen. Zwar kennt eine jede und ein jeder im Südburgenland jemanden der nach Wien, Graz oder sonst wohin pendelt, doch ist diese Mühsal des langen Arbeitsweges vorwiegend dem Umstand geschuldet in der Heimat sesshaft zu bleiben.

 

Arbeit finden…

Wenn die Personalverantwortlichen in ihrem Fachjargon von „Work-Life-Balance“ sprechen, schließt das einen zeitlich nicht ins Gewicht fallenden Arbeitsweg von Tür-zu-Tür mit ein. Im Südburgenland einen der eigenen Ausbildung entsprechenden Job zu finden, ist je nach Anforderungsprofil eine schwierige, mitunter unlösbare Aufgabenstellung. Unser erster Annährungsversuch startet – wie immer möchten wir meinen – mit der umfassenden Erwerbsstatistik, die das Land Burgenland für das Jahr 2018 zur Verfügung stellt:

Burgenlands Erwerbstätige Pendler 2018

Burgenlands Erwerbstätige und Pendler im Überblick (Quelle: Statistik Burgenland)

 

Für die drei südlichen Bezirke Güssing, Jennersdorf und Oberwart beträgt der Anteil an Pendler zwischen 73% und 75%, was im Wesentlichen dem Burgenland-Durchschnitt entspricht (74%). Anders ausgedrückt finden von hundert erwerbstätigen Ortseinwohnern nur knapp ein Viertel davon eine Arbeit in derselben Wohngemeinde. Immerhin kann ein Gutteil der Pendler einer Arbeit im selben Bezirk nachgehen, wobei hier vor allem Oberwart positiv hervorsticht. Was zudem auffällt, aber einer geographischen Logik folgt: während sich die Güssinger Pendler zwischen Steiermark und Wien die Waage halten, pendeln die Menschen aus Jennersdorf mehrheitlich in die grüne Mark. In Oberwart als nördlichster Bezirk des Südburgenlandes ist die Bundeshauptstadt das erste Ziel, dass die hiesigen Pendler ansteuern.

 

… und behalten

Die Coronakrise bedeutet für den Arbeitsmarkt eine ziemlich drastische Zäsur. Allmählich setzt eine Erholung ein und der Rückgang an Beschäftigungslosen dürfte sich durch das Hochfahren des Aktivitätspegels in den Tourismushochburgen fortsetzen. Dennoch gehen die Experten von einem Erreichen des „Vor-Corona“-Niveaus erst in den nächsten drei Jahren aus. Vor allem die Zahl der Langzeitarbeitslosen, das sind jene Menschen, die seit mehr als einem Jahr ohne Job sind, steigt weiterhin. Die Zahl der Beschäftigungslosen, also jener Personen, die beim Arbeitsmarktservice (AMS) als arbeitslos vorgemerkt sind oder an Schulungen teilnehmen, und die Anzahl an offenen Stellen gegenübergestellt, bedeutet, dass im Mai 2021 nur auf jede sechste Person im Südburgenland eine offene Stelle entfällt:

Arbeitslose Burgenland Mai 2021

Beschäftigungslose und offene Stellen auf Basis der Zahlen für Mai 2021 (Quelle: AMS Burgenland [Anm.: wir gehen davon aus, dass mit „Stegersbach“ der Bezirk Güssing gemeint ist. Da es sich um die offiziellen Statistiken handelt, haben wir diesen „Datenfehler“ geflissentlich übernommen])

Wohnen im Südburgenland

Im letzten Artikel haben wir an dieser Stelle behauptet „um Gesundheit dreht sich alles“. Stimmt so. Doch auch das Thema Wohnen – immerhin im Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert – betrifft uns alle im täglichen Leben. Denn jede/r braucht ein Dach über dem Kopf. Direkt beeinflusst wird dieses Thema natürlich von der Bevölkerungsentwicklung, die sich ja im überalternden und stagnierenden Südburgenland drastisch unterscheidet im Vergleich zum boomenden Nordburgenland. Ein zweiter Aspekt, der sich direkt auf die Art wie wir heutzutage Wohnen, auswirkt ist die allgemeine gesellschaftliche Entwicklung. Gefühlt – und wohl auch real – hat sich die Art wie wir wohnen drastisch verändert. Waren vor Jahrzehnten Mehrgenerationenhaushalte, in denen die Jungen die Pflege der Alten übernommen haben, völlig normal, ist es heute Usus nach der Ausbildung bzw. in einer Partnerschaft eigenständig zu wohnen. So lautet das Motto: „Zuerst in eine Mitwohnung ziehen und dann Eigentum schaffen.“

Während im Nordburgenland die Preise für Bauland förmlich explodieren und die Politik diese Entwicklung per Gesetz stoppen will, scheint in den südlichen Bezirken noch alles beim Alten zu bleiben. Die Nord-Süd-Schere ist nicht nur bei den Baulandpreisen erkennbar, sondern freilich auch in der Miete bzw. den Preisen für Häuser und Eigentumswohnungen (nachzulesen hier). So weit, so klar. Interessant ist, dass die Preise für Einfamilienhäuser im Südburgenland zwar steigen, für Reihenhäuser die Preisentwicklung jedoch eher nach unten geht. Ob das mit den Investitionen der diversen Siedlungsgenossenschaften im Süden zusammenhängt, wäre jedenfalls einen eigenen Artikel wert.

 

Siedlungsgenossenschaften – die großen Investoren im Süden

Maßgeblich investiert wird vor allem auch in die bevölkerungstechnisch stagnierenden, bis schrumpfenden Gemeinden im Südburgenland durch Siedlungsgenossenschaften. Das Ziel ist, eigenständiges Wohnen für (Klein-)Familien und Singles zu fördern. Allem voran steht da die OSG (Oberwarter Siedlungsgenossenschaft), die das oben genannte eigenständige Wohnen für junge Menschen fördert. Die Zahlen sind imposant (von anderen Wohnbauträgern konnten wir leider keine Zahlen auftreiben): die OSG wickelte 2020 ein Bauvolumen von 140 Mio. € ab (im Jahr 2000 stand man laut eigenen Angaben noch bei rund 27 Mio. €). Verwaltet werden von der OSG rund 16.300 Wohnungen, Reihenhäuser und Lokale, im Jahr 2000 waren es noch rund 5.000. Eine detaillierte Nord-Süd-Aufteilung findet sich leider nicht, aber gefühlt steht ja wirklich in jedem Ort eine Reihenhausanlage dieses Bauträgers.

 

Der Traum vom alten Bauernhaus…

… erfüllt sich – vor allem – im Südburgenland immer mehr für Zuzügler aus den westlichen Bundesländern. Das hat Vor- und Nachteile. Pensionisten aus Tirol oder Vorarlberg schätzen nicht nur das milde Klima im Südburgenland. „Die Zuzügler investieren teilweise richtig viel Geld und Zeit, um diese alten Häuser wieder herzurichten. Für unsere Gemeinde ist das auf jeden Fall eine Bereicherung.“, versicherte uns ein Bürgermeister einer südburgenländischen Gemeinde (er wollte  nicht namentlich genannt werden). Ein anderer Aspekt ist jedenfalls, dass durch diesen Trend alte Bauernhäuser ein bisschen zu Spekulationsobjekten werden und halt so lange leer stehen bis ein Westösterreicher den gewünschten Preis bezahlt. Ein weiterer spannender Beitrag findet sich dazu hier. Einen etwas älteren (aber durchaus skurrilen) Artikel über das Südburgenland, das zum Florida Österreichs werden soll, haben wir hier gefunden.

 

Wie erlebt ihr die Situation im Südburgenland? Teilt uns gerne eure persönlichen Wahrnehmungen und Erfahrungen mit einem Kommentar mit!

Zum Nachlesen:
👉 Teil 3: Bildung und Gesundheit im Fokus
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