Das Burgenland in Zahlen: Manfred Dreiszker im Sautanz-Interview

Manfred Dreiszker, Leiter des Statistikreferats im Land Burgenland, spricht im Interview über Bevölkerungsentwicklung, traumatische Erlebnisse beim Sautanz und eine heimliche Leidenschaft.

Manfred Dreiszker Burgenland

 

Sautanz: Herr Dreiszker, vielleicht stellen Sie sich für den Anfang bei unseren Leserinnen und Lesern selbst kurz vor?

Manfred Dreiszker: Ok, mein Name ist Manfred Dreiszker. Ich bin in Eisenstadt geboren. Mit 18 Jahren bin ich nach Wien gegangen, um Betriebsinformatik zu studieren und habe in dieser Zeit geheiratet und zwei Töchter bekommen. Im Studium selbst war gar nicht so viel Statistik dabei, ich habe aber dann die Möglichkeit gehabt im Statistik-Referat im Land Burgenland meine Diplomarbeit zu schreiben. Dort bin ich dann hängen geblieben. Seit 1991 habe ich nun quasi täglich mit Zahlen zu tun. Für mich ist das der schönste Job, den es gibt. Die Themen, die wir hier behandeln, sind jeden Tag unterschiedlich und könnten spannender nicht sein.

Woher kommt Ihr Interesse für Statistik? Hat sich das schon in der Kindheit abgezeichnet?

Das kann ich gar nicht so genau sagen. Sammler und Jäger sind wir ja alle irgendwie. Das war immer ein großer Drang. Auf der Uni war die Statistik ehrlich gesagt nicht so sehr meins, da der Schwerpunkt da eher auf mathematischen und technischen Fragestellungen lag. Mich interessieren eher die Verbindungen zu den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Komplizierte Dinge einfach darzustellen, wo die Leute auch was anfangen können mit diesen Daten, das ist meine Freude.

In Ihrer Funktion als Leiter des Referats Statistik eine banale Frage: Was umfasst Ihre Aufgaben? Können Sie uns hier Einblicke geben?

Grundsätzlich ist es so: Wir bereiten das Datenmaterial auf, das wir von der Statistik Austria bekommen. Das ist ein großer Vorteil, denn wir müssen die Zahlen nicht selbst erheben. Ich könnte also den ganzen Tag nur Auswertungen machen, ohne dabei selbst erheben zu müssen. Wir sind ein relativ kleines Team von fünf Mitarbeitern. Also im Prinzip sind wir eine Art Auskunftsbüro für Politik, Wissenschaft, Medien und Privatpersonen, publizieren aber auch selbst Fachartikel oder schreiben Beiträge. Früher gab es ein jährlich erscheinendes statistisches Jahrbuch. Nun veröffentlichen wir unsere Daten aber vorrangig auf der Homepage des Landes Burgenland.

Die Demographie des Burgenlands zeigt ein eindeutiges Nord-Süd-Gefälle. Können Sie die Ursachen aus dem Blickwinkel eines Statistikers ausmachen?

Reden wir zunächst mal über die Zahlen. Ich beobachte die Bevölkerungsentwicklung im Burgenland mittlerweile seit Jahrzehnten sehr genau. In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts war der Tenor noch: „das Burgenland stirbt irgendwann einmal aus“. Die Entwicklung war aber in den 90er und Nullerjahren so, dass es Zuwanderung aus dem Ausland und den Nachbarbundesländern gegeben hat. Das heißt, dass das Burgenland aufgrund der geringen Geburten zwar kein demographisches Wachstum hat, aber durch Zuwanderung die Bevölkerung trotzdem wächst. Dieses Wachstum findet aber insbesondere im Norden statt. Viele Wiener und Niederösterreicher beispielsweise lassen sich zunächst vielleicht auch nur als Freizeitsitz rund um den See nieder bzw. entschließen sich dann auch mal dauerhaft da zu bleiben. Diese Entwicklung fehlt im Südburgenland vollkommen. Wir haben im Süden fast keine Zuwanderung und der demographische Rückgang greift da natürlich. Es sterben also mehr Menschen, als geboren werden.

Für Langfristvergleiche teile ich der Einfachheit halber das Burgenland immer in 2 Teile – Nord- und Südburgenland, wobei der Süden beim Sieggrabener Sattel beginnt (Anmerkung: stimmt eigentlich auch nicht ganz – Sieggraben liegt ja südlich des Siegrabener Sattels, gehört aber noch zum Bezirk Mattersburg und somit zum Nordburgenland). Hier teilte sich die Bevölkerung des Burgenlands, wie die Daten aus den Volkszählungen im 20. Jahrhundert zeigen, in etwa zur Hälfte in Nord und Süd auf. Der Süden war zwar immer leicht vorne, um die Jahrtausendwende kam dann der große Turnaround, wo der Norden den Süden bevölkerungsmäßig überholt hat. Als Hauptgrund dafür sehe ich definitiv die Wien-Nähe.

Wohin wird sich der Norden bzw. der Süden entwickeln, wenn Sie auf Ihr reichhaltiges Datenmaterial schauen?

Hm. Also kurzfristig gesehen tut sich da nicht so viel. Der Bevölkerungsrückgang des Südburgenlands ist in meinen Augen relativ schleichend.  Grob gesprochen ändert sich die Bevölkerung jährlich nur marginal – 1% der Bevölkerung kommt dazu (Geburten) und 1% fällt weg (Sterbefälle), 98% bleiben unverändert, Veränderungen der Bevölkerung muss man also immer über Jahrzehnte beobachten . Nach derzeitigem Stand ist nicht davon auszugehen, dass der Süden auch so boomt wie der Norden. Aussterben wird der Süden trotzdem nicht (lacht). Ich bin gespannt, ob so Projekte wie der Straßenausbau der S7 etwas in der Bevölkerungsentwicklung bewirken können. Denn was man schon sagen muss: Gemeinden an großen Straßen wie Autobahnen habenim Vergleich zu anderen Gemeinden stärkere Zuwächse in der Bevölkerung.

Und auf die Mitte zwischen Sieggrabener Sattel und Geschriebenstein schaut niemand wirklich? Fristet die Bevölkerungsentwicklung im Mittelburgenland ein Schattendasein in der öffentlichen Wahrnehmung?

Gerade im Oberpullendorfer Bezirk schockieren mich manche Gemeinden, wo die Rückgänge in der Bevölkerung wirklich groß sind. Niktisch oder Großwarasdorf etwa. Die haben vor hundert Jahren knapp über 3000 Einwohner gehabt, heute nur mehr etwas weniger als die Hälfte. Es sind einfach ganze Generationen von jungen Leuten weggezogen, der Großteil davon nach Wien.

Wie sehen Sie die Entwicklung in den einzelnen Bezirken generell? Gibt es da Unterschiede oder Gemeinsamkeiten, kann man die Bezirke miteinander vergleichen?

Also ich schaue mir gerne die drei größten Bezirke, Oberwart, Neusiedl und den politischen Bezirk Eisenstadt an. Die haben alle drei so circa um die fünzig- bis sechzigtausend Einwohner. Früher war Oberwart der größte und jetzt matchen sich Eisenstadt und Neusiedl quasi Kopf an Kopf. Dann kann man größenmäßig (ca. vierzigtausend) vielleicht Mattersburg und Oberpullendorf miteinander vergleichen. Früher war Oberpullendorf größer, mittlerweile ist es Mattersburg. Die beiden südlichsten Bezirke Güssing und Jennersdorf sind die kleinsten, gemeinsam haben sie eine Größe wie Mattersburg oder Oberpullendorf. Beide Bezirke haben über Jahrzehnte betrachtet die stärksten Rückgänge.

Wie wird das aus dem Fußball bekannte Kaffee-Derby zwischen dem Eisenstädter und Neusiedler Bezirk um den bevölkerungsreichsten Bezirk ausgehen?

Haha eine gute Frage. Fußballtechnisch schauts da ja relativ traurig aus. Ich glaub, dass das Bevölkerungsmatch eher Neusiedl gewinnen wird. In den letzten zehn, zwanzig Jahren hat die Führung ja oft gewechselt, wobei es da wirklich nur um ein paar Einwohner geht. Was man aber sagen kann ist, dass die Zuwanderungen mit Schwerpunkt um den See stattfinden werden.

Ohne den Oberlehrer zu mimen – dennoch sei die Frage erlaubt: Was können die drei Landesteile voneinander lernen?

Die Politik und die Verwaltung generell machen sich da meiner Meinung schon viel Gedanken, dass Förderungen auch gleichmäßig eingesetzt werden. Die Schwierigkeit ist denke ich das richtige Maß zu finden und auch auf die richtigen Themen zu setzen. Wenn man sich die Thermen Lutzmannsburg und Stegersbach anschaut, wurde dort eher in strukturschwachen Gemeinden in den Tourismus investiert (Anmerkung: hier die Analyse dazu). In Heiligenkreuz hat man auf Wirtschaft gesetzt und versuchte einen grenzüberschreitenden Wirtschaftspark zu errichten. Fakt ist jedenfalls: Im Norden funktionierts automatisch: Man stellt in Parndorf ein paar Geschäfte hin und die Massen kommen einkaufen. In Sankt Martin an der Raab wärs wahrscheinlich schwieriger. Ich finde man muss die drei Landesteile also differenziert betrachten und glaube nicht, dass sie voneinander so viel lernen können.

Das Burgenland wird wohl noch auf längere Zeit das „Schlusslicht“ in der Bevölkerungs-Statistik unter Österreichs Bundesländern bilden? Wenn wir qualitative Faktoren für das Wohnen am Land betrachten, ist das nicht ein schmeichelhafter Titel? Wie sehen Sie das?

Ja, das Burgenland hat 3,4 % Anteil an der Bevölkerung Österreichs, aber ich glaube, dass wir gar nicht so klein in der Wahrnehmung sind. Zum Vergleich, der Anteil der österreichischen Bevölkerung an der EU beträgt rund 1,8 %. Und worauf ich auch immer gerne hinweise: wir waren nicht immer das kleinste Bundesland. In meiner Volksschulzeit, Daten der Volkszählung 1961, war Vorarlberg kleiner. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts lebten sogar in Tirol und Salzburg weniger Menschen als im Burgenland. Die Bevölkerungszunahme in allen Bundesländern war im Vergleich zum Burgenland seither sehr rasant. Dafür, das ist jetzt meine persönliche Sicht, punkten wir im Burgenland mit einer hohen Lebensqualität.

Was waren die bisherigen Schmankerln Ihrer statistischen Aufbereitungen und Recherchen? Was hat bei Ihnen besonderen Eindruck hinterlassen?

Puh, eigentlich sind es viele Kleinigkeiten. Was für mich aber schon markant ist, und mich nach wie vor fasziniert ist die Entwicklung des Bildungsstandes. Der hat sich in den letzten Jahrzehnten extrem verändert. Ich schau mir da immer gern die Maturantenquote, nach Altersgruppen unterschieden, an. Die liegt bei unseren älteren Bevölkerungsteilen, also den 60-, 70-, 80-jährigen vielleicht bei zwei bis vier Prozent. Bei den Bevölkerungsteilen mittleren Alters, also den 40- bis 50-jährigen, ist diese Quote sprunghaft angestiegen auf zwanzig bis dreißig Prozent. Bei den 20-jährigen haben bereits rund sechzig Prozent der Mädchen und vierzig Prozent der Burschen Matura. Die spannende Frage ist ja: wie schaut diese Entwicklung in den nächsten 20 Jahren aus?

Tauschen Sie sich in Ihrer Arbeit mit anderen Institutionen aus? Woher kommen die Anfragen an die Statistik Burgenland?

Die Statistik Austria ist sicherlich unser wichtigster Kooperationspartner. Wir stehen aber auch in regem Kontakt mit den anderen Landesstatistikern, wo wir uns, wenn jemand mal eine Frage hat, gut austauschen und ergänzen. Laufend angefragt werden wir von den politischen Büros, diversen Medien, aber auch private Personen vom Schüler bis zum Historiker haben hin und wieder mal eine Frage, die wir gern beantworten.

🐽 Sautanz Word-Shuffle

Glück

Es ist ein Glück, dass ich in so einer schönen Gegend wohne, eine nette Frau und zwei nette Kinder habe und mit ihnen ein schönes Leben führen darf.

Carambol

Carambol ist eine schöne Sportart, die ich Jahrzehnte lang im Burgenland versucht habe aufzubauen. Jetzt betreibe ich diesen Sport nur mehr hobbymäßig.

Lindenstadion

Da fällt mir als erstes die Linde auf dem Hügel ein, die wir beim Fußballtraining im Hindernislauf immer erreichen mussten. Bei Eis und Schnee in der Vorbereitung auf die Fußballmeisterschaft. Von dem her sind die Erinnerungen gar nicht so positiv (lacht). Und natürlich auch als Zuschauer bei den Matches wie zum Beispiel gegen Rapid. Das war legendär.

100 Jahre Burgenland

Is goa net so vü. Wenn ich dran denke, dass ich nächstes Jahre 60 werde, ist 100 gar nicht so viel. An und für sich ist 100 aber eine schöne Zahl.

Burgenländische Forschungsgesellschaft

Eine tolle Gesellschaft, in der ich seit vielen Jahren Schriftführer bin. Früher waren die Projekte sehr Burgenland bezogen, vielfach auch mit Südburgenlandschwerpunkt, heute konzentriert man sich eher auf EU-geförderte, grenzüberschreitende Projekte.

Sautanz

Da werden Erinnerungen wach! An den Großvater in Olmod, in Ungarn. Das waren noch wilde Zeiten. Der Sautanz, also das Abstechen, war durchaus ein Erlebnis als Kind. Fast traumatisierend, aber die Sautanzleber hat man dann doch gern gegessen.

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