Ein Jahr nach dem 100-Jahr-Jubiläum meldete das einstige Aushängeschild des burgenländischen Fußballs, der SC Eisenstadt, den Konkurs an. Sautanz begab sich auf eine Zeitreise bis ins Jahr 1907 zurück und beleuchtete die abwechslungsreiche Vereinsgeschichte.
Die Landeshauptstadt des östlichsten Bundeslandes teilt sich eine wenig schmeichelhafte „Ehre“ mit jener des westlichsten Gliedstaates unserer Republik. Sowohl in Eisenstadt als auch in Bregenz gibt es keinen Fußballverein, der in einer der beiden obersten Ligen vertreten ist. Während am Bodensee noch vor gut einem Jahrzehnt Profifußball zu bestaunen war, gewinnt man im politischen Zentrum des Burgenlands den Eindruck, dass hier sich über Jahre eine fußballerische Wüste ausbreitete – und mittlerweile auch den Mattersburger Erwachsenenfußball ausdünnte bzw. sich selbst ausdünnte.
Die Gleichung „Eisenstadt = Fußballlosigkeit“ ist bzw. war ein Interregnum, welches vom offiziellen Ende des im Jahr 1907 gegründeten „Kismartoner Football-Club“ und seinem jähen Ende 2008 noch keiner wirklich erahnen konnte. In der von Gerhard Tinhof verfassten Vereinschronik zum Hundertjährigen ist folgender fast prophetisch anmutende Satz zu finden:
„Man kann zu Recht sagen, dass der Sportclub Eisenstadt eine sehr interessante und bewegte Geschichte hat und wohl auch in Zukunft noch für viel Gesprächsstoff sorgen wird“.
In der Tat, denn wenige Monate später ging jener SCE in Konkurs und die Pforten des fast schon legendären, doch zumindest jedem Fußballnostalgiker charmant empfundenen Lindenstadions schlossen für immer. Für manche Anwohner war damit ein Schrecken aus vergangenen Tagen endgültig vorüber, doch dazu mehr ein wenig später.
Alles der Reihe nach
Während sich die Kismartoner nach dem Ersten Weltkrieg und damit verbundenen Ende des Habsburgerreiches in „Fußballsportklub Eisenstadt“ quasi umfirmierten, dauerte es noch ein paar Jahrzehnte bis sich der Verein in den SC Eisenstadt umbenannte. So gab es eine Zeitlang noch drei weitere Fußballvereine in der burgenländischen Landeshauptstadt: den SC Newag-Eisenstadt, den Post SV Eisenstadt und den Gendameriesportverein Eisenstadt. Wenige Jahre nach der Fusion mit SC Newag war es dann soweit, ab 1957 hieß der Verein SC Eisenstadt.
Ein vorläufiger Höhepunkt stellte sicherlich der Aufstieg 1967 in die Nationalliga, damals Österreichs höchste Liga, dar. Kurios erscheinen die damaligen Diskussionen um die Gründung eines „FC Burgenland“ kurze Zeit vor dem Aufstieg. Mit dem Ziel eine „schlagkräftige Truppe“ für die Nationalliga auf die Beine zu stellen, verlief die hitzige Debatte im Sand. Die in den Medien übermittelte Variante einer Fusion von SC Eisenstadt und SV Mattersburg stößt bei der Mitgliederbasis auf breite Ablehnung.
Am Höhepunkt als Mitrocup-Sieger
Einen großen Zeitsprung in die wohl erfolgreichste Ära des SCE: die 1980er Jahre. Am 25. Juni 1983, als der österreichische Rekordmeister SK Rapid Wien in Eisenstadt seinen Meistertitel fixierte, strömten 15.000 Zuschauer ins Lindenstadion. Wie in einem lesenswerten Ballesterer-Artikel nachzulesen ist titelte die um keine Schlagzeile verlegene Kronen Zeitung damals: „Rapid-Fans kommen! Ganz Eisenstadt heute verbarrikadiert – Terrorangst vor Entscheidung der Fußballmeisterschaft“. Na zum Glück gewann Rapid souverän mit 4:0… Der „SC Eduscho Eisenstadt“ belegte am Ende seiner ersten Saison nach dem Aufstieg den 9. Platz. Nachfolgend haben wir ein Video ausgegraben aus der Saison 84/85 als der SCE den grün-weißen ein Remis abtrotzte.
Die 1980er Jahre war wohl die erfolgreichste Epoche für den Verein aus der Landeshauptstadt. Einerseits gab es in der höchsten Spielklasse ein reines Burgenland-Derby mit dem SC Neusiedl – auch unter dem Namen „Kaffeederby“ bekannt, weil beide Vereine damals durch Kaffeemarken einen Hauptsponsor im Vereinsnamen führten. Andererseits gewannen die Eisenstädter 1984 den Mitropa-Cup gegen Vasas Budapest. Zwar versprühte dieser internationale Pokal nicht mehr dasselbe Renommee wie in den Zwischenkriegsjahren, dennoch trug sich der SCE in die namhafte Liste der Titelträger ein. Unser Gastschreiber Hubert Herzog hat den damaligen Erfolgslauf detailliert auf seinem Blog dokumentiert. Erwähnenswert und gleichzeitig charakteristisch für den sich anbahnenden Niedergang: das 80-Jahr-Jubiläumsspiel gegen dem schottischen Vertreter Greenock Morton FC, damals frischgebackener Aufsteiger in die schottische Premier League. Diesem internationalen Freundschaftsspiel, dass die Hausherren mit 1:0 gewannen, wohnten knapp 200 Unverdrossene bei – eine wahrlich traurige Zuschauerkulisse.
Ende des Eisenstädter Interregnums
Wie bereits erwähnt folgte der Konkurs 2008 und das Interregnum begann. Ganze zehn Jahre später kam es zur Neugründung. Nach den ersten beiden Saison im Exil kehrte im letzten Jahr der SCE in die Heimatstadt zurück und duelliert sich in der 2. Klasse Nord u.a. wieder mal mit dem altbekannten Rivalen aus Neusiedl am See, wenn auch mit der sogenannten „1b“-Mannschaft.
Zum Abschluss sei den für Sportsponsoring verantwortlichen Damen und Herren eines aktuell prominent in der Öffentlichkeit stehenden Glücksspielkonzerns folgender Satz ins Stammbuch geschrieben:
„Der SC Eisenstadt ist derzeit das populärste „Aushängeschild“ des burgenländischen Fußballs… Für alle Burgenländer bedeutet er [Anm.: der SCE] offenbar eine landespatriotische Angelegenheit.“ (zitiert aus dem Werk von Franz Just, Der Fußballsport im Burgenland, 1970).
Ob dieser Satz, der sich auf den erstmaligen Aufstieg der Eisenstädter in die Nationalliga bezieht, im Jahr 2021 auch so einwandfrei auf den ASV Draßburg umzulegen ist?
Seit dem letzten Jahr ist kein Fußballverein aus dem Burgenland in einer der beiden höchsten Ligen Österreichs vertreten. Was ist deine Meinung dazu? Teile sie gerne mit deinem Kommentar mit
🗨 Kommentare ( 2 )
Was noch erwähnenswert wäre: Auch zu den Mitropacup-Spielen kamen damals nur 200 oder 300 Zuschauer. Die Auswärtsspiele hat der SCE damals oft vor vollen Stadien absolviert… :-/
Hallo Peter,
eigentlich schwer vorstellbar. Wenn man bedenkt, was knapp zwanzig Jahre später in Mattersburg los war (v.a. in der ersten Aufstiegssaison vor über 15.000 Leuten gegen Rapid). Europapokal werden wir wohl länger nicht im Burgenland erleben. Von Lokalderbys in der Bundesliga rede ich gar nicht.
Liebe Grüße
Clemens