Der historische Hintergrund zu den beiden Freistädten im Burgenland, Eisenstadt und Rust am See, ist selten Teil der landläufigen Erzählungen. Im ersten Teil werfen wir den Blick auf die Geschichte der königlichen Freistädte des einstigen Ungarns.
Als wir im letzten Jahr es tatsächlich schafften eine Beitragsserie zu Ende zu bringen, hatten wir beim letzten und achten Teil der Serie über Burgenlands Bezirke bereits eine Vorahnung für eine Fortsetzung der anderen Art. Das Thema des heutigen Beitrags reicht im Ursprung wirklich, wirklich weit zurück, zu einer Zeit als das Burgenland als eigenständiges Bundesland nicht einmal den kühnsten Visionären vorschwebte. Weder in den heutigen Grenzen noch als ein Teil Österreichs…
Die Geschichte handelt von den im damaligen Königreich Ungarn befindlichen sogenannten Königlichen Freistädten (zu Latein: libera regia civitas bzw. als szabad királyi város in Ungarn bekannt). Das Gros dieser Freistädte bekam ihre Privilegien ab dem 15. Jahrhundert erteilt. Die mit gewissen Vorrechten verbundene offizielle Bezeichnung als Königliche Freistadt war mehr oder minder gleichbedeutend für die Wichtigkeit und Stellung dieser Städte im Königreich Ungarn.
Rechte und Pflichten
Die mannigfaltigen Aspekte waren u.a. militärischer, ökonomischer, gesellschaftlicher, kultureller und letztendlich politischer Natur und wirkten im unterschiedlichen Ausmaß auf das Leben der Bevölkerung in und um der Freistadt. Ein Auszug zu den Privilegien:
- Militär: Erhöhung der Wehrfähigkeit und strategischen Bedeutung dank der Befestigung durch eine Stadtmauer
- Wirtschaft: Befreiung von Grenzzöllen und Maut, steuerliche Privilegien beim Kauf und Verkauf von Waren
- Kultur: Religionsfreiheit in der damaligen Auslegung, freie Wahl der Pfarrer
- Gerichtsbarkeit: Ernennung von Stadtrichtern
- Administration: Ernennung eigener Stadtorgane, die weitestgehend frei vom Einflussbereich des Landesherren waren, die Selbstverwaltung bezog sich auf innere Angelegenheiten der Freistadt
- Politik: die Teilnahme am ungarischen Landtag, wobei alle Städte zusammengenommen lediglich eine Stimme ausmachten, sodass ihr Einfluss in der Realität sehr eingeschränkt blieb
Doch wo Rechte eingeräumt wurden, erwuchsen naturgemäß auch Pflichten daraus. Diese umfassten beispielsweise die direkte Steuerabfuhr an den ungarischen König, die Bewirtung des Königs, wenn dieser die Stadt besuchte und anfangs auch die Pflicht Soldaten für das königliche Heer zu stellen.
Kriegerische Jahrhunderte
Das eigenständige Königreich Ungarn existierte bereits seit der erlittenen Niederlage der Ungarn gegen das auf territoriale Expansion ausgerichtete osmanische Heer auf dem Schlachtfeld von Mohacs 1526 nicht mehr. Es zerfiel in drei Teile: der verbleibende habsburgische Teil im Westen und Oberungarn (die heutige Slowakei) mit der Hauptstadt Preßburg, die zentralen Gebiete in osmanischer Hand und im Norden und Osten das Fürstentum Siebenbürgen als osmanischer Vasallenstaat.
Auf konfessioneller Ebene entbrannte ein Dauerkonflikt zwischen der Katholischen und Protestantischen Kirche quer durch alle Gesellschaftsschichten. Das Kriegstreiben war geprägt von einer langen Phase der Türkenkriege mit den markanten Punkten der ersten Belagerung Wiens 1529 durch die Osmanen, den Sieg der christlich-alliierten Truppen bei Mogersdorf/Szentgotthárd 1664 und schlussendlich die zweite erfolglose Belagerung Wiens 1683.
Dazu kamen im noch jungen 18. Jahrhundert die sogenannten Kuruzzenkriege, die den Landstrich, der sich heute als jüngstes Bundesland Österreichs Burgenland nennt, arg in Mitleidenschaft zog. Der burgenländische Raum als unmittelbares, kaum geschütztes Transitgebiet zwischen den kaiserlichen und osmanischen Truppen hatte natürlich während dieser Zeit besonders schwer zu leiden. Vor allem die Plünderungen nach der zweiten Niederlage vor den Toren Wiens brachte großes Leid für die örtliche Bevölkerung. In der Folgezeit kam es immer wieder zu Überfällen über die Grenze, Brandschatzungen und Zerstörungen, wobei insbesondere die bäuerliche Bevölkerung die Leidtragenden waren.
Bedeutungsverlust und „Großungarn“
Im Verlauf der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es zu einigen gravierenden Änderungen, die die Bedeutung aber auch die Autonomie der Freistädte sukzessive verringerte. So wurden ein Teil der vormaligen königlichen Freistädte zunächst zu Munizipalstädte „abgestuft“.
Damals waren die Grenzen des Königreichs Ungarn bzw. Transleithaniens, wie das Gebiet nach dem Ausgleich mit Österreich 1867 und der Begründung der Doppelmonarchie auch bezeichnet wurde, ja dreimal so groß wie sich Ungarn in den heutigen Staatsgrenzen präsentiert. Nach dem Friedensvertrag von Trianon, in der ungarischen Geschichtsschreibung gelinde gesprochen als Friedensdiktat bezeichnet bzw. in der eher nationalistisch angehauchten Vergangenheitsbewältigung als „Schande von Trianon“ bekannt, verlor Ungarn einen Großteil seines historischen Stammlandes. Die „Großungarn“-Pickerl, die eventuell auf dem einen oder anderen Auto mit ungarischen Kennzeichen gesichtet wurden, referenzieren eben auf diesen für die Ungarn geschichtstraumatischen Umstand. De facto befinden sich von den einst 47 Freistädten heute 38 Städte außerhalb der Republik Ungarn.
Mittendrin statt nur dabei war ein kleiner, aber für seine Weine über die regionalen Grenzen hinaus bekannter Ort namens Rust, gelegen am Neusiedler See. Darüber werden wir im zweiten Akt dieses dreiteiligen Formats näheres berichten.
Wie hat euch unser Auftakt zu dieser kleinen Serie gefallen? Teilt uns gerne eure Meinung mit einem Kommentar mit!
Referenzen zu verwendeten Medien:
- Beitragsfoto Adlerbrunnen in Rust am See: Günter Nikles