GGG – Garten, Gemüse und Gewürze (Teil 5) – Karotte & Co.

Diesmal wird es mit den drei G´s, die für geschmackvoll, genießbar und giftig stehen, interessant, abenteuerlich und gefährlich, denn Karotte, Petersilie & Co. gehören zur Familie der Doldenblütler oder Doldengewächse.

von Franz Lex

Wenn ich an Karotte & Co. im Kuchlgartl denke, dann fallen mir zu Karotte, Petersilie, Pastinake, Sellerie, Fenchel, Bronzefenchel, Dill und Liebstöckel auch viele G´s ein: Gekeimt, gepflanzt, gewachsen, gereift, geputzt, gelagert, gewaschen, gefroren, ganz, grob geteilt, geschnitten, gehobelt, geraspelt, gerieben, gehackt, gezupft, gekocht, gegrillt, geröstet, gedünstet, grün, getrocknet, gerebelt, gemahlen und xund.

Karotte, Wurzel- und Schnittpetersilie, Sellerie und Pastinake

Während von Karotte, auch Möhre, „Mähn“, oder gelbe Rübe genannt, ausschließlich die Pfahlwurzeln verzehrt werden, obwohl man Blätter auch essen kann, werden von Wurzelpetersilie, Sellerie (in der Mundart auch „Petasö“ bzw. „Zölla“ genannt) und Pastinake neben Pfahlwurzeln bzw. Knollen auch Blätter und Stängel zum Würzen verschiedenster Speisen verwendet. Von Schnittpetersilie werden nur Stängel und Blätter laufend geerntet. Diese Doldengewächse sind zweijährige Pflanzen, d.h., dass sie erst im zweiten Jahr Stängel, Blüten und Samen entwickeln.

Schnittpetersilie ist aus unserer Küche nicht wegzudenken.

 Karotte, Petersilie & Co. haben´s in sich!

Täglich gegessen sind sie „fia eh ois“: Sie enthalten Ballaststoffe, wenige Kalorien und vielfältige Wirk- und Nährstoffe (Carotin, Vitamine, Kalium, Eisen etc.), reduzieren das Krebsrisiko, erhalten die Darmgesundheit, senken Blutdruck und Cholesterin- und Blutzuckerspiegel, regulieren Leber-, Nieren- und Verdauungsfunktionen, schützen Herz- und Kreislaufsystem, sind gut für Augen (Wer hat schon Hasen mit Brillen gesehen?) und ersparen eventuell Arztbesuche und die Einnahme von Medikamenten.

Auch die Raupe des Schwalbenschwanzes hat den Bronzefenchel zum Fressen gern.

Fenchel, Bronzefenchel, Dill, Kümmel und Liebstöckel . . .

. . . sind vielseitig verwendete Gemüse-, Gewürz- und Heilpflanzen, von denen die Blätter und auch die Samen, aber nicht die Wurzeln, verwendet werden.

Bronzefenchel ist gut an den gefiederten Blättern zu erkennen.

Koriander, Kreuzkümmel und Anis . . .

. . . werden zum Verfeinern von Speisen und auch Mehlspeisen (Anisbögen) verwendet.

Wilde Möhre, Wiesenkerbel, Waldengelwurz, Wiesenbärenklau

Im Pannonischem Gebiet des Burgenlandes kommt auch das Sichelblättrige Hasenohr vor. Die jungen Blätter könnte man zu Wildgemüse und Spinat verkochen. Ich würde sagen: „Losst sas bleim!“ Es gibt ja den unverwechselbaren Giersch.

Das lästigste Unkraut ist der gesunde Gewöhnliche Giersch

Vom wuchernden und wegen seiner unterirdischen Ausläufer schwer zu bekämpfenden Giersch, der sehr leicht aufgrund seiner schön angeordneten Blätter (drei Blätter mit je drei kleinen Blättchen) zu erkennen ist, werden die grünen Blätter samt Stängel zu Spinat (mit Blättern von Bärlauch, Brennnessel, Sauerampfer, Löwenzahn und Vogelmiere) und Sirup verarbeitet und können auch roh verzehrt werden.

Unverwechselbar sind die Blätter des Giersch.

Sirupzutaten und -rezept: 2 kg Zucker in 2 l Wasser kochen, abkühlen, einige Stangen Zitronenmelisse, 5 Handvoll Gierschblätter, Scheiben von 2 Bio-Zitronen und 5 dag Zitronensäure dazugeben, zwei Tage einwirken lassen, abseihen und kalt in Flaschen abfüllen.

Der Gierschsirup eignet sich perfekt zum Aufspritzen im Sommer.

Hundspetersilie, Gefleckter Schierling, Wasserschierling, Riesenbärenklau

Achtung: Tödlich giftig! Diese Pflanzen sind die giftigsten Vertreter der Doldengewächse und haben runde, glatte, oft rötlich bis violett gefärbte Stängel und einen unangenehmen Geruch (Mäuseurin). Die Giftstoffe dienen als Fraßschutz. Mit dem „Schierlingsbecher“ wird die Hinrichtung des griechischen Philosophen Socrates verbunden: Den mit der aus Samen des Gefleckten Schierlings und Wasser hergestellten giftigen Flüssigkeit gefüllten Becher muss der zum Tode Verurteilte nehmen und das Gift trinken.

Dem Kaisermantel schmeckt der Sirup der Hundspetersilie.

Der gefleckte Schierling.

Der Riesenbärenklau ist ein Neophyt (ihm werden wir bald einen eigenen Artikel widmen), der bei Berührung in Verbindung mit Sonnenlicht auf der menschlichen Haut schmerzhafte und lange nicht heilende Blasen – ähnlich wie bei Verbrennungen – verursacht.

A Gruam fia di Ruam (Eine Grube für die Rüben)!

In den 1960er-Jahren ist es nicht üblich, dass man Wurzelgemüse in der Greisslerei im Dorf erhält, obwohl Christiaan Barnard im Jahre 1967 schon die erste Herzoperation in Kapstadt durchführt, aber trotzdem wird vieles (von Schokolade über Schuhcreme bis Rindermaulkorb) angeboten. In großen Mengen angebaut werden im Spätherbst ein Teil des Gemüses in Sand-Erdgemisch im Erdkeller zum Verzehr im Winter eingeschlagen und der Rest zusammen mit Burgundern in einer Erdmiete frostsicher gelagert.

Alles gab es zu kaufen: Bensdorp Schokolade

… und Schuhcreme….

… und einen Maulkorb für Kühe.

Der Kuhmaulkorb war bei uns früher im Einsatz.

Im Zuge von Recherchen kommen interessante Bezeichnungen zu Tage: Erdgruam, „Gruam mochan“, „A Gruam fia di Ruam“, Ruggi und Ruaggi!

Der Pyramidenbau gehört nicht nur in Ägypten zur Tradition

Für das Mochan einer „Gruam“ wird wegen Grund- und Oberflächenwasser an einer erhöhten Stelle direkt auf dem Burgunderacker eine ca. 30 cm tiefe, 1,5 m breite und – abhängig von der Burgundermenge – einige Meter lange Grube ausgehoben. Auf einer Strohschicht werden die Burgunder in Pyramidenform ca. 1,5 m hoch geschlichtet und zum Abschluss auch das Wurzelgemüse (Möhren und Petersilie) „eingebaut“. Das Lagergut wird von unten beginnend mit einer dickeren Strohschicht versehen und mit Erde vom Aushub und des umliegenden Bereiches abgedeckt, da zu beachten ist, dass der Boden der Erdgruam etwas höher liegt und Wasser nicht eindringen kann. Für die Ableitung des Wassers werden Entwässerungsrinnen ringsherum gegraben. Die Erde soll gut abgedichtet sein. Als Abschluss werden entlang des Firstes unter Stroh und Erde für Be- und Entlüftung ein Bündel Maisstroh (Woazstengn) eingelegt und dessen Schopf in der Mitte der Pyramide ins Freie geleitet. Mäuse haben ihre Freude: Wärme, Nahrung und Nestmaterial!

Die Rötelmaus fühlt sich in der Gruam pudelwohl.

Praktische Tipps

  • Doldenblütler als Wildgemüse verkochen? „Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht!“
  • Doldengewächse im Hausgarten sind wichtige Nektarquellen für Schmetterlinge, Wanzen, Fliegen, Hautflügler und Käfer, Jagdreviere für Spinnen und Raubwanzen und Futterpflanzen für Vögel (Samen) und Raupen eines Ritterfalters: Schwalbenschwanz. Die Raupen kommen vereinzelt vor und fressen die Pflanzen nicht kahl.
  • Fast ein MUSS im Kuchlgartl ist Bronzefenchel. Beginnend im Frühjahr bis in den Spätherbst kann man die gesunden gefiederten Blätter roh genießen. Die gesunden Samen werden wie Kümmel als Gewürz verwendet. Bronzefenchel keimt wann und wo er will und lockert mit einer Wuchshöhe von ca. 2 Meter den „regelmäßigen“ Kuchlgoatn optisch auf; unter dem Motto: „Einmal im Garten, immer im Garten!“
  • Petersilie soll man jedes Jahr säen, da die Pflanze im 2. Jahr nach der Blüte Gifte entwickelt. Eine Aussaat im Spätherbst ist zu empfehlen, da die Samen, wenn sie durchfrieren, besser keimen! Für die Aussaat im Frühjahr kann man die Samen von Doldenblütlern einige Tage in den Gefrierschrank legen.
  • In Kochsendungen liegt neben den frischen makellosen Karotten schon griffbereit zum Entfernen der Haut der (Spar)Schäler. In der Haut der Karotten (und auch im anderen Wurzelgemüse) sind viele Wirk- und Nährstoffe. Genauso sinnlos ist das Entfernen der Haut von Paprika und Paradeiser! Schon jedes Kind isst beim Rohverzehr von Karotte, Paprika, Paradeiser, Apfel, Kirsche etc. „selbstvernatürlich“ die Haut bzw. Schale mit!
  • Kleinwürfelig geschnittenes Wurzelgemüse (die derbe Haut vom Sellerie muss selbstverständlich entfernt werden) und auch die geschnittenen Blätter und Stängel des Küchengemüses und der -gewürze eignen sich hervorragend zum Einfrieren! Blätter können auch getrocknet werden. Portionsweise durchmischtes eingefrorenes Wurzelgemüse erleichtert Kochvorbereitungen und verfeinert die verschiedensten Suppen.

Der Schwalbenschwanz (hier das Adulttier) hat den Nektar der Doldenblütler liebend gern.

Ein Blogbeitrag ohne Rezeptvorschlag geht gar nicht:

Gebratene Hendlflügerl mit Doldengewächsen und Naturreis

Jetzt werden manche fragen: Wie komme ich zu Hendlflügerln? Wir kaufen regional mehrere ausgewachsene Masthendln auf einmal, zerlegen sie, lösen die Knochen aus den Keulen, das Filet vom Brustbein und die Drüsen von der Kragenhaut. Portionsweise werden Keulen (saftiges Brat- und Backhendl ohne lästige Knochen), Filets (Geschnetzeltes, Fondue, gegrillt), Flügerl, Rücken im Ganzen (braten, ohne Bürzeldrüse) und Leber (Knödel, Leberreis, gedünstet) extra eingefroren. Aus Knochen, Krägen, Flügerlspitzen, Haut, Mägen und Herzen mit Wurzelgemüse, Zwiebel, Lorbeerblatt, Wacholderbeeren, Pfefferkörner, Salz und Wasser entsteht bei niedriger Temperatur die altbekannte gesunde Hühnersuppe (Erkältung), die portionsweise eingefroren wird.

Importierte Hendln oder Hendlteile (gekühlt oder gefroren), die oft tausende Kilometer „fahren“, „schwimmen“ oder „viele Flugstunden absolvieren“ und aufgetaut danach zerlegt, verpackt und etikettiert etliche Tage im Kühlregal im Plastikbehälter „reifen“, müssen nicht gerade bei uns auf dem Teller „landen“!

Zutaten: Hendlflügerl von ca. drei Kilo schweren Hendln

Je 10 dag würfelig geschnittene Karotte, Petersilie, Pastinake und Sellerie

1 große Zwiebel, 3 Knoblauchzehen, 1 rote Paprikaschote, 2 mehlige Kartoffel

Salz, Paprikapulver, Majoran, Bronzefenchel gemahlen, Wasser

Während Naturreis für 30 min eingeweicht wird, werden Wurzelgemüse, Zwiebel, Knoblauch, Paprika und geschälte Kartoffel geschnitten und in einer Bratpfanne mit den gewürzten Hendlflügerln und Wasser zugedeckt im Backrohr bei 200 Grad gebraten. Inzwischen wird der Naturreis gekocht.

Der Reisring mit Gemüse wird mit Petersilie, Liebstöckel oder Basilikum garniert. Guten Appetit!

 

Hat euch unser Ausflug in die Welt der Doldenblütler gefallen? Dann hinterlassts uns an Kommentar bzw. abboniert unseren Newsletter!!

Hier geht es noch zu den weiteren Teilen der Serie:

Teil 1: Zwiebel

Teil 2: Paradeiser

Teil 3: Kürbis

Teil 4: Paprika

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