Universalknolle Kartoffel: Anbau im Burgenland der 1960er-Jahren

Franz Lex nimmt uns wieder auf eine ganz spezielle Zeitreise mit! Diesmal stellt er die Kartoffel vor, die damals in keinem burgenländischen Gemüsegarten fehlen durfte.

Die Kartoffel ist ein Nachtschattengewächs mit schönen Blüten! Eine fast täglich genutzte Erdfrucht mit vielen Namen: Kartoffel, Erdapfel, Grundbirn, Grumpan, Krumbl. Einige Monate vor dem Anbau der beliebten Nahrungsquelle im Frühjahr wird nach der Getreideernte das Stoppelfeld vorbereitet, falls keine Nachfrucht, wie Buchweizen oder Weiße Rüben, angebaut wird. Der Leiterwagen, mit dem die Getreidegarben eingeführt werden, wird, nachdem die Leitern abgenommen werden, mit der Mistplatte und den an den Enden schräg zugeschnittenen Mistbrettern zum Mistwagen umgerüstet.

 

Der Misthaufen ist die Goldgrube der Bauern!

Auf und im Misthaufen landet – zum Mist von den Tieren – alles, was verrottet und wertvoller Humus wird: Futterreste, Stiele, Blätter und Unkraut vom Gemüsegarten, Kürbisstängel, Spindeln der abgerebelten Maiskolben, Schweineborsten, Geflügelfedern, Sägespäne, Trestern, verfaultes Obst usw. Der am Rand des Misthaufens von den Hühnern heruntergekratzte und nach Fressbarem durchsuchte Mist ist fertiger Kompost und wird im Küchengarten verwendet.

 

Barfuß bei jeder Arbeit und jedem Wetter

Mühsam ist das Aufladen des schweren nassen Schweinemistes, da als Einstreu langes Stroh verwendet wird, während bei den Rindern Laub aus dem Wald als Einstreu dient. Bevor die Kühe vor den Wagen gespannt werden, wird der aufgeladene Mist mit dem Mistpracker (starkes Brett mit Stiel) festgeklopft, damit locker liegendes Material auf dem holprigen Weg zum Acker nicht runterfällt. Auf dem Stoppelfeld wird der Mist mit dem Mistkrampen in Zeilen haufenweise in regelmäßigen Abständen abgeladen. Es ist üblich, dass man von Frühlingsbeginn bis in den Spätherbst immer barfuß geht, weshalb auch die spitzen Halmreste auf dem Stoppelfeld und der Mist der rauen Fußsohle nichts anhaben können. Nach dem „Mistbroatn“ (gleichmäßiges Ausbreiten mit einer Mistgabel) wird mit einem Holzpflug, von zwei Kühen gezogen, beim Umackern des Stoppelfeldes der Dünger eingearbeitet. Diesen Vorgang nennt man auch „Brochan“ (Brache pflügen) oder „Viarbaun“ (Vorbauen bzw. Vorpflügen), da der Acker bis April des nächsten Jahres brach liegt, d.h. nicht genutzt wird, und außerdem der frische Mist noch besser verrotten kann.

 

Auch ungenutztes Brachland hat seine Vorteile

Viele Pflanzen nutzen diese Zeit, keimen und gedeihen prächtig; darunter auch der Vogerlsalat oder Feldsalat, der im März als Pintscherlsalat auf der Brache geerntet (Pintscherl stechen) und mit gekochten Erdäpfeln und Eiern, als Salat zubereitet, gegessen wird. Viele kleinwüchsige Pflanzen, vor allem Taubnessel- und Ehrenpreisarten, blühen schon früh und sind die ersten Nahrungsquellen für Honig- und Wildbienen (Hummeln).

Es blüht und gedeiht auf dem brachliegenden Acker. Essen kann man hier fast alles…

Im Märzen der Bauer die Kühlein einspannt

Nachdem einige Kartoffel im März schon die Keime treiben, wird eine Egge eingesetzt, vor der zwei Kühe gespannt werden, um Erdknollen zu zerkleinern, die obere Bodenschicht zu lockern und einzuebnen und zugleich das Unkraut zu bekämpfen. Da Kühe nicht nur als Nutztiere (Milch, Fleisch) gezüchtet, sondern auch als Arbeits- bzw. Zugtiere eingesetzt werden, ist die Ausbildung von jungen Kühen eine Notwendigkeit. Hierfür wird beim Eggen eine junge Kuh neben eine Leitkuh gespannt, damit sie sich an Joch und Geschirr gewöhnt, weil es bei dieser Arbeit weniger stört, wenn die Egge einmal nicht perfekt geradeaus gezogen wird, wie es beim Pflügen unbedingt erforderlich ist.

 

Zur Arbeitserleichterung wird in Reihen angebaut

Mit einem Reihenzieher (rechenähnliches Gerät mit drei Zähnen in größeren Abständen) werden Spuren in die Erde gezogen und so der gleichmäßige Abstand der Reihen vorgegeben. Mit einem großen Heindl (Haue), einem Henkelkörbchen und den vorgekeimten Grumpan in einer „Scheibtruchan“ (Schiebetruhe) geht es Anfang April in den Acker zum „Grumpansetzn“ bzw. „Erdäpfelschmeissn“. Es werden meist mittelgroße Grumpan genommen. Große Erdäpfel werden nur verwendet, wenn sie schon kräftige Keime aufweisen, und vor dem Setzen mit einem Messer halbiert. Mit dem Heindl wird in der Reihe in regelmäßigen Abständen von einer Person ein Loch aufgemacht und gewartet, bis die andere Person aus dem Henkelkörbchen die Kartoffel, die mit Erde bedeckt wird, reinwirft. Stark angetriebene Grumpan werden vorsichtig reingelegt, damit die Keime nicht abbrechen.

Fachgerecht wird die Grumpan gesetzt.

Händische Unkraut- und Schädlingsbekämpfung, grüne Erdäpfel

Nach einigen Wochen wird mit Heindln das Unkraut bekämpft und neben den Trieben gejätet. Mit dem Anhäufelpflug, von einer Kuh zwischen den Reihen gezogen, wird die humusreiche Erde links und rechts zu den Kartoffelpflanzen geschoben, damit die heranwachsenden Kartoffeln mit Erde bedeckt sind, denn freiliegende von der Sonne beschienene Erdäpfel werden grün und sind für den Verzehr nicht geeignet. Die im Sommer blätterfressenden Kartoffelkäfer (der wie auch die Kartoffel streng genommen zu den Neobiota zählt) und deren Larven werden mit Holzstaberl von den Blättern in altes und im Haushalt nicht mehr verwendetes Geschirr geklopft, vernichtet und auf dem Misthaufen entsorgt. Gleichzeitig mit dem Runterklopfen der Käfer und Larven werden die auf der Unterseite der Blätter befindlichen gelb-orangen Gelege, ohne sie zu berühren, auf der Pflanze im gefalteten Blatt mit den Fingern zerdrückt.

Der Kartoffelkäfer bei seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Fressen.

Was im Frühjahr versteckt wird, wird im Herbst wieder gesucht

Bis zur Ernte werden schon laufend im Sommer Erdäpfel (Heurige) zum Verzehr vom Acker geholt. In der zweiten Septemberhälfte werden einige Tage vor der Ernte die verwelkten Stängel und das Unkraut mit der Sense gemäht und am Ackerkopf und Rand außerhalb des Ackers zwischengelagert, um alles nach der Ernte, wenn das Unkraut vertrocknet ist, auf dem Acker zu verbrennen. Am Vortag wird für den Transport der Kartoffel ein aus Korbweiden geflochtener Wagenkorb in den Leiterwagen gelegt. Mit einer Kuh vor dem Anhäufelpflug werden zuerst die Erdäpfel der ungeraden Reihen ausgegraben und in Weidenkörben gesammelt, wobei die vom Pflug verletzten, von Mäusen angefressenen und kleinen Krumbln schon aussortiert werden.

Dieser Maus hat das Kartoffelmahl am Acker sichtlich geschmeckt.

Mit Händen oder bloßen Füssen werden eventuell noch in der Erde verborgene Grumpan „gesucht“ und ausgegraben. Bevor die mittleren und großen Erdäpfel auf den Wagen geleert und die verletzten, angefressenen und kleinen Kartoffel in Brennnesselsäcke abgefüllt werden, wird die restliche Erde durch ruckartiges Auf- und Abbewegen der Weidenkörbe von den Kartoffeln gelöst und „durchgesiebt“. Nach dem Ausgraben der Erdäpfel in den geraden Reihen und Heimbringen der Ernte werden die mittleren und großen Erdäpfel frostsicher im Erdkeller gelagert und die verletzten, angefressenen und kleinen alsbald gekocht und an die Schweine verfüttert. Von den im Winter für die Schweine im Futterdämpfer gekochten Grumpan wird ein Teil in längeren Kälteperioden an die Hühner verfüttert, damit sie das Eierlegen nicht komplett einstellen.

Eine reiche Ernte Heuriger.

Kein anderes Gemüse wird so vielseitig verwendet – hier eine kleine Auswahl:Kartoffelsalat, Bratkartoffel, geröstete Erdäpfel, Grumpanstrudel, Kartoffelrahmsuppe, Schwammerlsuppe mit Heidensterz, Schwammerlgulasch mit Semmelknödel, Erdäpfelgulasch mit Bauernbrot, Kartoffellaibchen, Faschierter Braten mit Grumpanpüree, Szegediner Gulasch, Grenadiermarsch, Mohnwuzerl mit Apfelkompott, Zwetschkenknödel, Binden von Saucen und Gemüse (statt Einbrenn)

 

Wenn der „Dampfkessel“ explodiert wie ein Blindgänger

Von Zeit zu Zeit gibt es als Abendessen „brotane Grumpan“ (gebratene Erdäpfel) mit süßer oder saurer Milch. Die aus dem Erdkeller geholten Kartoffel werden gründlich gewaschen, da die Haut mitgegessen wird. Beim Hineinrollen der nassen Erdäpfel in das heiße Backrohr zischt und pfeift es, bis die Feuchtigkeit verdunstet. Während die Grumpan braten, kommt es ab und zu vor, dass ein dumpfer Knall zu hören ist: Die Hitze im Backofen bringt die Feuchtigkeit in einer wässrigen Kartoffel zum Dampfen, sodass in der Folge die Haut dem entstandenen Druck nicht mehr standhalten kann, und die Kartoffel explodiert.

 

Sonntags wird immer „vegetarisch“ gekocht

Die „veredelten Kartoffeln“ werden in dickere Scheiben geschnitten, mit einem Holzschlegel weichgeklopft, gesalzen und nach dem sonntäglichen Spaziergang durch die „Panierstraße“ (Mehl, Eier, Semmelbrösel) in eine mit einem dünnen Film befettete Bratpfanne gelegt. Anstatt die Schnitzel in heißem Fett zu backen, werden sie mit etwas Milch übergossen, damit sie saftig bleiben und nicht austrocknen, und in der zugedeckten Pfanne in das heiße Backrohr geschoben, bis sie goldbraun gebacken sind. Zum saftigen, nicht fetttriefenden Schnitzel gibt es Reis und Kartoffelsalat. „Veredelte Kartoffeln“ kann man auch im Ganzen in einer offenen Pfanne im Backrohr braten, von Zeit zu Zeit mit dem Bratensaft übergießen, und den Schweinsbraten mit Sauerkraut und gebratenen Kartoffeln verspeisen. Zum Faschierten Braten im Schweinsnetz passen sowohl Kartoffelsalat als auch Grumpanpüree mit sauren Gurken. Gemischter Salat ist keine Erfindung der modernen Küche. Ein Hauptgericht ohne Salat ist wie ein Bier ohne Schaum: „Es schaut nix zgleich!“ „Es fehlt etwas!“ Die Hauptzutaten für den gemischten Salat sind frisch bzw. heiß gekochte Kartoffel, Erdäpfel, Grundbirn, Grumpan und Krumbln, die noch heiß geschält, dünn geschnitten und mit fein geschnittener Zwiebel, Salz, Pfeffer, Apfelessig und Kürbiskernöl abgemacht (fast) zu jedem Gericht passen.

Nach der Ernte werden die ersten Grumpan verkocht.

Gebräuchliche Redewendungen

Die dümmsten Bauern haben die größten Erdäpfel!“ Wenn jemand mit Leichtigkeit, ohne sich besonders anzustrengen, erfolgreich ist! Wenn ein einfältiger Mensch unerwartet Glück hat!

„Wie eine heiße Kartoffel fallen lassen.“ Jemandem seinem Schicksal überlassen! Sich von jemandem ohne triftigen Grund trennen! Jemandem die Unterstützung entziehen; die berühmten Schulterklopfer, auf die man verzichten kann, denn, wenn man sie braucht, sind sie weg!

 

Hast auch du Erfahrungen mit Grumpan am Ocka gemacht? Dann teile uns deine Erinnerungen in den Kommentaren mit!

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