Alle 171 Gemeinden des Burgenlands durchwandert – Bernhard Pichler im Sautanz-Interview

Mit dem Buchautor Bernhard Pichler führten wir ein kurzweiliges Gespräch über seine Wanderung durch alle burgenländischen Gemeinden, die Passion für’s Schreiben und warum Tschanigraben heute eine Gemeinde ist.

Bernhard Pichler

Sautanz: Wie immer als erste Frage zu Beginn unseres Interviews: stelle Dich bei unseren Leserinnen und Lesern selbst kurz vor.

Bernhard Pichler: Die klassischen biographischen Details zu Beginn: ich bin 36 Jahre alt, stolzer Vater von zwei Söhnen und in Eisenstadt geboren. Bis vor kurzem war ich mir gar nicht so sicher ob ich mich selbst als Burgenländer sehe. Meine Schulzeit verbrachte ich vorwiegend in Niederösterreich und zum Studieren ging es nach Wien. Nach dem ich meine Runde durch die Gemeinden des Burgenlands abschloss, darf ich nun wohl mit Fug und Recht behaupten, dass ich ein Burgenländer bin 😊

Vertrauten Lesern Deiner Bücher sind ja Deine Geschichten über den Jakobs- und St. Olavsweg gut bekannt. Erzähle uns über die Idee darüber, wie Du eigentlich zum Schreiben gekommen bist.

Das Schreiben war schon immer mein Traumberuf seit ich im Kindesalter die Knickerbocker-Bande von Thomas Brezina gelesen hatte. Den Berufswunsch Autor habe ich irgendwann ad acta gelegt, weil das laut elterlichem Ratschlag kein Brotberuf sei. Schließlich arbeite ich heute als Jurist in einem Versicherungsunternehmen. Auf alle Fälle beschloss ich unmittelbar nach dem Ende des Studiums, die 4.600 km nach Santiago de Compostela zu wandern. Das war im Rückblick eine richtige Kurzschlussentscheidung, ich war de facto kaum vorbereitet für die Reise. Als ich zurück nach Österreich kam, baten mich just meine Eltern die gesammelten Erlebnisse in Buchform zu Papier zu bringen. Die Resonanz und Mundpropaganda führten dazu, dass sich das Buch sehr gut verkaufte. Einige Jahre später wanderte ich mit einem Freund aus Eisenstadt in meinem Sabbatical-Jahr den St. Olavsweg. So entkam ich auch einem unerwarteten Besuch der Schwiegermutter für zumindest drei Wochen.

Eine bizarre Frage: Spielt das Pilgern für Dich als Wanderer eine bedeutsame Rolle?

Die Frage ist was die Unterschiede zwischen den beiden Begriffen sind oder wie sie voneinander abgegrenzt werden. Auf dem Jakobsweg habe ich gelernt, dass es so viele verschiedene Arten des Pilgerns gibt. Ein Pilger braucht im Prinzip nur einen Weg, damit er pilgern kann genauso wie ein Weg nur einen Menschen braucht, der auf ihm geht, damit er Weg sein kann. Hochtrabend bezeichnen manche Menschen das Pilgern als das „Beten mit Füßen“. Das ist mir zu melodramatisch. Beim Pilgern geht es ja nicht darum möglichst viele Kirchen zu besuchen, sondern Zeit und Ruhe zu finden, um sich dem Neuen zu öffnen. Im Lateinischem steht der „peregrinus“ für jemanden, der in die Fremde geht und sich dem Unbekannten öffnet.

Dunkle Kanäle berichteten uns, dass Du vor Kurzem einen besonderen Meilenstein erreichen konntest: alle Gemeinden des Burgenlandes per pedes abgewandert. Was war Deine Motivation dazu?

Das war wieder eine spontane Entscheidung während des Lockdowns. Gehen und Schreiben als meine beiden Leidenschaften. Frei nach Goethe „Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen“. Bis dahin habe ich relativ wenig vom Burgenland gesehen. Gedanklich hatte ich mir schon eine Liste erstellt, was ich alles noch nicht gesehen habe. Das „Traurige“ dabei schien mir, dass die Liste gar nicht lang wurde, weil ich einfach nicht wusste was ich nicht weiß 😉. Mit einem Reiseführer bei der Hand würde ich mich wohl nur auf die schönsten Orte konzentrieren, die quasi dem Dating Profil des Burgenlands entsprächen. Daher nahm ich mir vor, jede einzelne Gemeinde persönlich anzuschauen, damit ich das breite Spektrum an burgenländischen Perspektiven vollumfänglich abdecke.

 Was war Dein einprägsamstes Erlebnis bei Deiner Wanderung durch die Ortschaften?

Bei 171 Gemeinden lernst du extrem viel kennen. Viele Sehenswürdigkeiten, Menschen und Naturbegegnungen, da kann ich nur schwer was herauspicken. Ein besonders schönes Erlebnis war der Muttertag, den wir gemeinsam als Familie auf der Rosaliakapelle feierten. Der unglaublich traumhafte Ausblick über das gesamte Nordburgenland bis hin zum Sieggrabener Sattel.

Rosaliakapelle

Ausblick von der Rosaliakapelle in Richtung Nordosten

 

Nahmst Du Besonderheiten und Unterschiede zwischen den Gemeinden und den Dorfstrukturen wahr?

Das ist eine gute Frage. Persönlich fand ich die Zersiedelung im Südburgenland sehr interessant vor allem im Vergleich zum Norden, wo ja meist das Prinzip „eine Ortschaft, eine Gemeinde“ gilt. Z.B. habe ich mich immer gefragt, wie Tschanigraben mit 67 Einwohnern als eigenständige Gemeinde ‚überleben‘ konnte. In den 1990er Jahren entschied der Verfassungsgerichtshof auf Basis der burgenländischen Gemeindeordnung, dass die Gemeindezusammenlegung in den 1970er Jahren zum Teil unzulässig war, weil Tschanigraben mit Neustift bei Güssing zusammengelegt wurde, obwohl diese keine gemeinsame Grenze teilen und durch eine Straße voneinander getrennt sind. Deshalb wurde der Zustand vor der Gemeindezusammenlegung wiederhergestellt und Tschanigraben ‚wieder‘ zu einer eigenständigen Gemeinde – der zweitkleinsten Österreichs.

Haben Ziele für Dich bei den Reisen eine Bedeutung?

Keine konkreten oder granularen Ziele. Ich habe zwar eine grobe Route im Kopf, doch versteife ich mich nicht darauf wie viele Kilometer ich am Tag zurücklegen möchte. Den Stress brauche ich nicht und es würde den Blick auf das Wesentliche irgendwie versperren. Große Ziele wie die 171 Gemeinden zu durchwandern spielen schon eine Rolle, aber haben wohl eher einen visionären Charakter für mich.

 Wie in unserem vorhergehenden Interview mit Bernadette Neméth gilt das wohl auch bei Dir: Bücher zu schreiben bedeutet einen Heidenaufwand. Welche Resonanz aus Deinem Umfeld und Bekanntenkreis gibt es zu Deiner schriftstellerischen Tätigkeit bisher?

Durchwegs positives Feedback. Ich denke, viele Leute haben die Bücher als Vorlage genommen, um ihre eigene Reise zu starten und dem ewigen Trott zu entkommen. Teilweise kündigten ehemalige Arbeitskollegen ihren Job, damit sie ihr eigenes Abenteuer unternehmen konnten. Menschen dazu zu bewegen, ihre Sehnsüchte zu entdecken und etwas dafür zu tun, ist für mich eine schöne Sache am Schreiben.

 Lass uns einen Blick in die Ferne wagen: was darfst Du uns zu Deinen Zukunftsplänen mitteilen?

Tatsächlich habe ich das Buch zu meiner Burgenland-Wanderung nun fertig geschrieben. Das ging mir schnell von der Hand und dauerte keine zwei Monate. Wenn ich den Entschluss gefasst habe, wie ich etwas umsetzen möchte, dann ist es relativ rasch geschrieben. Jetzt wo ich das Burgenland kennengelernt habe, steht als nächstes Ziel vermutlich Österreich und seine Gemeinden an, aber das ist eine andere Geschichte und soll zu einem anderen Zeitpunkt erzählt werden.

 

🐽 Sautanz Word-Shuffle

Glück

Gehört im Leben auch dazu.

Juristerei

Spannendes Studium, nicht ganz so spannend in der Arbeit.

Prostitution

Zu diesem Thema verfasste ich meine Doktorarbeit und darauf aufbauend ein populärwissenschaftliches Fachbuch und ist sicherlich einer der Gründe, warum ich die Juristerei so interessant gefunden habe.

100 Jahre Burgenland

98 Jahre Luising 😉

Linke Hände

Deswegen bin ich Jurist geworden.

Sautanz

Erst Max Stiegl, jetzt ihr mit eurem Blog 😊

 

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