Im Sautanz-Interview mit Bernadette Németh über die 111 Orte rund um den Neusiedler See

Wir unterhalten uns mit der passonierten Schriftstellerin Bernadette Grohmann-Németh über ihr neuestes Buch, den persönlichen Bezug zum Nordburgenland und die Wahrnehmung des Neusiedler Sees in Ungarn.

Bernadette Németh

Sautanz: Wie immer als erste Frage zu Beginn unseres Interviews: stelle Dich bitte bei unseren Leserinnen und Lesern selbst kurz vor.

Bernadette Németh: Mein Name ist Bernadette Grohmann-Németh und ich bin Journalistin, Schriftstellerin und Ärztin. Ich schrieb schon als Kind Geschichten, und mein erstes Buch während meiner medizinischen Ausildung. Seit einigen Jahren durfte das Schreiben ganz in den Hauptfokus rücken. Die Kreativität und Freiheiten waren und sind mir sehr wichtig. Ich liebe es mich mit Menschen zu beschäftigen und ihre individuellen Geschichten in Wort und Schrift festzuhalten.

Wie kommt man auf die Idee ein Buch über 111 Orte rund um den Neusiedler See zu schreiben? Was war Deine Motivation dafür?

Da mein Vater aus dem ungarischen Teil – also den Südufern des Sees – stammt, spürte ich schon immer eine enge Verbundenheit zu der Region. Allerdings waren wir als Kinder selten dort, doch mit unseren Kindern sind wir seit Jahren Stammgäste rund um den See. Nach meinem Buch „111 Ort für Kinder in Wien“ trat ich an meine Agentur heran, dass ich mir ein Werk in ähnlicher Form für den Neusiedler See gut vorstellen kann. Es gibt so viele unentdeckte Orte hier abseits der als Genussregion vermarkteten „Hotspots“. Gesagt, getan 😊

Als Leser merkt man, dass Du mit sehr viel Akribie und Leidenschaft Deine Texte verfasst. Wie kommst Du auf solche besonderen Orte?

Insgesamt schrieb ich zwei Jahre am Buch. Dieser Prozess umfasst die Recherchen, Kontakte knüpfen, Orte besuchen etc. Durchs Reden und Mundpropaganda kam ich von einer zur nächsten Geschichte. Während im österreichischen Teil viele Handwerker bereits über eine eigene Website verfügen und leicht zu kontaktieren sind, läuft es in Ungarn fast ausschließlich über persönliche Kontakte ab. Ein Beispiel: die Schlüssel zur Kapelle mit den Jahrhunderte alten Fresken in Hidegség hat nur der örtliche Kirchenverwalter. Erst über den Umweg eines lokalen Restaurantbetreibers kam ich zum Namen des „bácsi“. Da ich ungarisch spreche und von Haus aus neugierigr Mensch bin, war es für mich recht einfach sehr eindrucksvolle Ort in Ungarn auszuforschen.

Ein Buch zu schreiben bedeutet einen Heidenaufwand. Welche Resonanz aus Deinem Umfeld und Bekanntenkreis gibt es zu Deiner schriftstellerischen Tätigkeit bisher?

Sehr viele positive Überraschungen. Der Grundtenor lautet meist: es ist ein gesamthaft schönes Buch geworden. Manche dachten in erster Linie an Surfer-Lokale oder ähnliches und sind von den Geschichten dann sehr angetan. Auch ich habe für mich einiges daraus gelernt, vor allem was die historische Perspektive der Region betrifft. Bemerkenswert finde ich das Feedback von Menschen, die beispielsweise aus Norddeutschland kommen und meinen, dass es bei ihnen ähnlich wie bei uns aussieht.

Welche persönliche Rolle spielt die Region für Dich?

Es fühlte sich an wie eine Art von „heimkommen“. Obwohl ich als Kind selten hier war und trotz der hiesigen Vergangenheit meines Vaters war der Neusiedler See eigentlich gar nicht so präsent in meiner Familie. Heute verspüre ich in der Region etwas sehr Heimatliches. Ich schätze die Weite und die Nähe zum Wasser. Die Gegend ist sehr unterschiedlich. Während meiner Recherchen hatte ich teilweise das Gefühl, ich wäre um die Welt gereist, so facettenreich und abenteuerreich gestaltet sich die Landschaft.

Neusiedler See

 

Die Debatten um den Neusiedler See sind stets aktuell: Verbauungsproblematik, sinkender Wasserstand, Overtourismus? Wie nimmst Du diese Diskussionen wahr?

Gerade an der aktuellen Debatte um die Verbauung des Südufers im ungarischen Teil sieht man, wie sehr die Realität und Wahrnehmung im Bezug auf die Verbauung der Ufer auseinanderdriften. Schließlich soll genug Platz für alle bleiben, der öffentliche Zugang bleibt rund um den See ein wichtiges Gut. Sollte der See wirklich austrocknen, bleibt zumindest unter dem See ein riesiges Mineralwasservorkommen (lacht). Soweit soll es aber natürlich nicht kommen.

Was waren die bisherigen Schmankerln Deiner Tätigkeit? Was hat bei Dir besonderen Eindruck hinterlassen?

Das historische Zentrum von Sopron faszinierte mich. Weiters die keltischen Hügelgräber und die Fossilien am Leithagebirge, die Wildpferde, … es gibt so viele Überraschungen, ich könnte bis zu 111 Orten alle aufzählen.

Du erwähnst in Deinem Buch die Flucht Deines Vaters im Zuge des Ungarischen Volksaufstands im Jahr 1956 nach Österreich. Schildere uns bitte die Wahrnehmung und Bedeutung des Neusiedler Sees in Ungarn?

Was mir nicht bewusst war, ist das verbindende Element des Sees. Selbst in der Zeit des Eisernen Vorhangs teilten sich Österreich und Ungarn das Gewässer. In Ungarn wirkt mir vieles unerschlossen im Vergleich zur burgenländischen Seite. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass dieser Teil Westungarns scheinbar weniger gefördert wird. Die Ungarn fahren dann doch lieber zum Balaton 😊

Gibt es einen Austausch innerhalb der schreibenden Zunft im Burgenland bzw. mit unserem Nachbar Ungarn?

Bis dato hält sich das stark in Grenzen, ist mir aber ein Herzensanliegen. Ich möchte da in Zukunft stärker Fuß in der burgenländischen Szene fassen und mich am Austausch beteiligen. Die „gläserne Decke“ ist aktuell noch nicht durchstoßen. Die Situation in Ungarn ist gar nicht so einfach: das fängt schon mit dem quasi nicht vorhandenen grenzüberschreitenden Buchhandel an, der eine bessere Vernetzung ermöglichen könnte.

Lass uns einen Blick in die Ferne wagen: was darfst Du uns zu Deinen Zukunftsplänen mitteilen?

Mein nächster Roman wird im Burgenland spielen. Generell kann ich mir gut vorstellen, dass sich meine gesammelten Burgenland-Inspirationen wie ein roter Faden durch die noch zu schreibenden Bücher ziehen könnte.

 

🐽 Sautanz Word-Shuffle

Glück

Glück ist für mich, wenn ich das machen kann was ich mir immer gewünscht habe.

Fotokamera

Ist bei mir ein wenig zerkratzt nach einer Kollision mit einem Vogel Strauß 😊

Zweisprachigkeit

Eine Bereicherung.

100 Jahre Burgenland

War und ist ein Riesengewinn für Österreich und Europa.

Kinderbücher

Lese ich jeden Abend meinen Kindern vor. Ich habe auch selbst eines geschrieben. Das Schreiben von Kinderbüchern ist für mich allerdings wesentlich schwieriger als Bücher für Erwachsene. Für Kinder muss alles in den Geschichten Vorkommende Hand und Fuß haben, sie fragen viel genauer nach dem Warum.

Sautanz

Findet rund um den Neusiedlersee noch mancherorts statt – und auch in meinem nächsten Roman, dort allerdings zwei Generationen vor uns.

 

Weitere Informationen und Hinweise:

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