Unsere burgenländischen Getreidesorten – die Gerste

In einer neuen Serie über „Getreide“ widmen wir uns der Gerste, die als das älteste von Menschen angebaute Getreide gilt und daher auch als Urkorn bezeichnet wird.

Nach dem kulinarischen Ritschertvergnügen vor ein paar Wochen wollen wir euch diesmal den „Rohstoff“ hinter dem Gericht vorstellen: die Gerste! In vielen alten Kulturen spielt Gerste als Grundnahrungsmittel eine wichtige Rolle. Alte Traditionen sind die Herstellung von Malzkaffee aus Gerste und die Verwendung von Gerstenmalz in Bierbrauereien („Hopfen und Malz – Gott erhalt´s“).

Die Gerste ist ein Getreide, welches zur Familie der Süßgräser gehört und als Grundnahrungsmittel für Mensch und Tier und Rohstoff zur Herstellung verschiedener Produkte dient . Als Ursprungsregion des Getreides gilt der sogenannte Fruchtbare Halbmond, dessen Gebiet sich vom Persischen Golf beginnend oberhalb der syrischen Wüste bis nach Nordägypten erstreckt, wo schon einige Jahrtausende vor Christus der Mensch sesshaft wird und seine Lebensweise vom Wildbeutegreifer und Sammler zum Tierhalter und Ackerbauern umstellt.

In den 60er und 70er-Jahren wird nur Wintergerste angebaut

Auf dem mit Kuhgespann gepflügten und geeggten Feld wird im Herbst die in einem Säkorb befindliche Saatgerste händisch gesät und danach eingeeggt, damit die Körner leicht mit Erde bedeckt und vor Vogelfraß geschützt sind und keimen können. Eine „warme“ Schneedecke verhindert das Ausfrieren der jungen zarten Pflanzen.

Die Wintergerste ist meist das erste Grün nach einem langen Winter.

Wenn der Klatschmohn blüht

Die typischen Bilder eines Gerstenfeldes sind die im sanften Wind wie Meereswellen wogenden zuerst zartgrünen und später blondgoldenen Halme und schöne Wildpflanzen, wie Klatschmohn, Kornblume, wilde Kamille, Hirtentäschel, Faongras (Gemeiner Windhalm), Wicken, Klettenlabkraut (Klebkraut), Taubnessel, Ackerstiefmütterchen etc., über denen unzählige Schwalben unermüdlich nach Insekten für sich und ihre Jungen jagen.

Der Mohn ist eine wahre Farbenpracht.

Viele Hände, ein schnelles Ende

Die Vollreife der Gerstenkörner ist bereits Anfang Juli erreicht, und die Ähren nach unten hängen. Ausgestattet mit Sense mit Fruchtkorb und Garbensichel beginnen wir nach Mitternacht mit dem Schnitt. Die Halme werden vom Vater in Richtung des stehenden Getreides gemäht, damit sie angelehnt leichter von der Mutter mit der Garbensichel aufgenommen werden können. Wir Kinder machen aus einigen Halmen mit einer eigenen Technik Bänder, binden die Garben und legen sie reihenweise in Abständen zusammen. Sehr lästig sind die langen Grannen, die sich in die Wäsche bohren: Jucken, kratzen und rote Flecken auf verschwitzter Haut!

Hier ist die Gerste bereit für die Ernte.

So schaut das Erntewerkzeug von früher aus.

Aus zehn mach eins: Viele Männlein steh´n am Felde

Mit den in Reihen gelegten Garben stellen wir Kinder gemeinsam Mandln oder Beckln auf. Unsere Mutter geht nach Hause und richtet inzwischen das Frühstück. Ein Mandl entsteht, indem eine Garbe in der Mitte steht, vier Garben in jeder Himmelsrichtung und dann je eine zwischen zwei Garben dazugestellt werden. Ein Geschwister, das die mittlere Garbe aufstellt, hält alle Garben zusammen, die dann mit dem vom Vater inzwischen gemachten Hut zum Schutz vor Regen und Hagel bedeckt werden. Der Hut ist eine weitere (die zehnte) Garbe, die in der Mitte geknickt wird.

So wurde die Gerste früher aufgerichtet.

Redewendung: „Wenn die ersten Mandln steh´n, schreit der Kuckuck nicht mehr!“

Da um die Zeit des Beginns der Getreideernte die Vögel ihre Legetätigkeit abschließen, hat das Kuckucksmännchen keinen Grund mehr, seine Balzrufe ertönen zu lassen! Der Kuckuck ruft seinen Namen (heuer bei uns seit 15. April), dessen Ruf schon jedes kleine Kind kennt. Das Weibchen ersetzt ein Ei seiner Wirtsvögel durch sein Ei. Der junge Kuckuck, der oft früher als seine „Geschwister“ schlüpft, hievt restliche Eier bzw. Jungvögel aus dem Nest, damit er genug Futter, das unentwegt von seinen Pflegeeltern herbeigeschafft wird, für sein rasches Wachstum zur Verfügung hat.

Hier sitzt ein junger Kuckuck in einem Plastikrohr bei uns am Haus.

Zum Frühstück: Malzkaffee aus Gerste hergestellt

Bei Sonnenaufgang zu Hause angekommen strömt uns der Duft vom aufgehenden „Türkischen Sterz“ (Maissterz) und süßen Malzkaffee entgegen. Von Schweiß und Grannen befreit schmeckt´s noch besser als sonst. Während die heiße Sonne die Garben trocknet, schlafen wir im Schatten der Obstbäume. So manche Gelsen- und Bremsenstiche bemerken wir erst, wenn wir ausgeschlafen sind und auf der Haut rote Schwellungen mit tiefrotem Punkt im Zentrum die roten Flecken von den Grannen ersetzen: Jucken und Kratzen einmal anders, aber tiefgründiger!

Ein altes Werbeschild für Malzkaffee.

Mit dem Leiterwagen wird die Ernte eingebracht

Nach dem Einführen der Garben mit dem Leiterwagen wird die Gerste gedroschen: Eine staubige und beißende Angelegenheit! Mit der Getreidewinde werden zermalmte Blattreste, Stängelstücke, Grannen und Unkrautsamen von den Gerstenkörnern getrennt. Die Frucht oder das Korn, wie man verschiedene Getreidearten auch nennt, wird lose am Dachboden des Wohngebäudes zum Trocknen und Lagern in flachen Haufen, die öfters durchgerührt werden, aufgeschüttet. Die Sicherheit vor Mäusen und Ratten für die frei zugängliche Gerste garantiert ein kleines Loch in der Dachbodentür, durch das die Katzen jederzeit jahrein und jahraus eines ihrer Jagdreviere erreichen.

Hier wurde die Gerste heimgebracht – das Hendl freut sich.

Das Stoppelfeld wird für eine zweite Ernte vorbereitet

Nach der Ernte der Wintergerste, die als erste von den Getreidesorten schon im Frühsommer reif ist, werden entweder Buchweizen (Hoan, Heidn) oder Rüben (Wasserrüben) als Zweitfrucht angebaut. Im Gegensatz zu Wossa- oder Holmruam, für die Stallmist auf das Stoppelfeld vor dem Pflügen aufgebracht werden muss, bringt der Buchweizen, das „Arme-Leute-Korn“, als Grundnahrungsmittel auf kargen Böden ergiebige Erträge.

Hier blüht der Buchweizen im Spätsommer.

Nach der Ernte ist vor der Saat

Ein wichtiger Anteil der Gerstenernte dient als Saatgut, das im Herbst (drei Monate nach der Ernte) für die nächste Ernte gesät wird.

Gerste wird vor allem an Muttersauen verfüttert

Für den Transport vom Dachboden zur Schrotmühle in das Wirtschaftsgebäude wird das Korn in Säcke oder Strohkörbe gefüllt, wobei in der Frucht vereinzelt vorgefundene mit Gerstenkörnern verklebte und eingetrocknete Stoffwechselrückstände der Katzen entfernt und auf dem Misthaufen entsorgt werden. Der Gerstenschrot wird mit in der Rübenmühle grob zerkleinerten Burgundern oder Rüben vermengt oder im „Sautraunk“ angerührt an die Muttersauen verfüttert. Die anderen Schweine werden unter anderem mit Maisschrot gemästet. Das Gerstenschrot-Burgunder-Rüben-Gemisch bekommen auch junge Rinder. Für Pferde und Geflügel werden Gerstenkörner nicht zerkleinert.

„Arme-Leute-Essen“: Breiwurst

Während Gerste auch im nördlichen Teil unseres Landes nur veredelt als Malzkaffee im Heferl auf den Tisch kommt, gibt es im südlichen Teil Rollgerste als Nahrungsmittel in der Breiwurst (mit Sauerkraut und Bratkartoffel) oder auch im Ritschert.

Ein Festmahl: Die Breinwurst mit Sauerkraut und Kartofferl, in dem Fall sogar selbst hergestellt.

Ausgewogene Ernährung macht Gerste salonfähig, und sie ist gesund

Rollgerste (Samenschalen werden abgeschliffen) ist vielseitig verwendbar:

  • Flocken zum Frühstück
  • Schrot in Vollkornprodukten
  • (Vollkorn)Mehl zum Brotbacken
  • Suppeneinlage
  • Beilage (wie Reis und Buchweizen)
  • Eintopf (Bohnenritschert, Gemüse)
  • Zutat (Breiwurst, Salate, Gemüsesuppe, Laibchen, Schwammerlsuppe – statt oder gemeinsam mit Buchweizen)
  • Gerstenrisotto (Gersotto) mit Obst, Pilzen, Gemüse, Käse, Spinat, (Wild)Kräutern oder speziellen Gewürzen

 

Wie schauts bei euch aus? Schmeckt euch die Gerste, wenn ja in welcher Form? Oder baut ihr gar selbst welche an? Schreibt uns in den Kommentaren!!

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