Erinnerungen an das Korbflechten in den 1960er Jahren

Wir erinnern uns wieder! Und zwar schreibt Franz Lex diesmal über ein Handwerk, das weit in die Geschichte der Menschheit zurück reicht…

… und im Burgenland eine lange Tradition hat. Bis heute ist das Korbflechten ein Handwerk geblieben.

Korbflechten ist eine echte Winterarbeit

Nachdem im Spätherbst die Aussaat des Wintergetreides abgeschlossen, die Mostäpfel gepresst und die Äpfel der späten Sorten für den Verzehr im Winter gepflückt, das letzte Gemüse im Erdkeller gelagert, die Streu aus dem Wald heimgeführt, die Jauche und der Stallmist ausgeführt und die Felder für den Anbau im Frühjahr (Brache) gepflügt sind, beginnen die eigentlichen Winterarbeiten: Sauerkraut einmachen, Kürbiskerne schälen, Federn schleißen, Besen binden, Ostechn (Sautanz), Brennholz für den nächsten Winter schlägern und aufarbeiten, Nüsse auskiefeln, Bohnen ausklauben, in der Mühle Öl machen und Getreide mahlen, Pullover, Hauben und Socken stricken, Kleidung flicken, Socken stopfen, Geräte, Riemen und Kuhgeschirr reparieren und warten, Schnaps brennen und Körbe flechten, nähen und ausbessern. Korbflechten ist Männerarbeit, die viel Kraft, Geschicklichkeit, Ausdauer, Geduld, Kreativität und Konzentration erfordert; vor allem aber Zeit!

Korbflechten: die perfekte Winterbeschäftigung.

Ganzjährig nasse Füße

Ideale Standorte für Korbweiden sind feuchte Stellen, wie Bachböschungen, Grundstücksgrenzen an feuchten Wiesen, Quellgebiete und unterhalb des Misthaufens, denn nach ergiebigen Regenfällen rinnt noch viele Tage die jaucheähnliche nährstoffreiche Flüssigkeit aus dem durchnässten Mist. Neben dem Misthaufen gedeihen auch prächtige Holunderbäume als Schattenspender für den Mist.

Am Bach gedeihen die Korbweiden prächtig.

Aus Korbweiden entstehen Kopfweiden

Da nur einjährige Ruten elastisch sind, werden die Korbweiden alljährlich im Laufe des Winters geschnitten. Wichtig ist, dass alle Äste dicht über dem Kopf abgeschnitten werden, damit die Wunden besser verheilen. Das geschnittene Flechtmaterial wird im Volksmund „Band“ genannt. Die Vermehrung von Kopfweiden erfolgt durch Stecklinge. Durch den jährlichen Schnitt entstehen im Laufe von Jahren verdickte kopfähnliche Gebilde, die sogenannten Kopfweiden.

Die Kopfweiden im Herbst nach dem Schnitt.

Das schnelle Wachstum bringt viele Vorteile für die Natur

Kopfweiden sind landschaftsprägende Elemente unserer burgenländischen Kulturlandschaft und zugleich Lebensgrundlage und wichtige Lebensräume für viele Lebewesen. Raupen vieler Schmetterlinge und Larven zahlreicher Fliegen und Käfer ernähren sich von Blättern und Rinde bzw. vom Weidentotholz. Dadurch entstehen ideale Jagdreviere für Insekten, Spinnen, Vögel und Fledermäuse. Aushöhlungen in alten Korbweiden dienen als Brutstätte für Spechte und Meisen und sind ideale Quartiere für Siebenschläfer und Mäuse. Ein Meister des Tarnens ist die Raupe des Großen Gabelschwanzes.

Eine uralte Kopfweide

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Nicht alle Kopfweiden sind Korbweiden

An wenigen naturbelassenen Abschnitten von Bächen und Flüssen im Burgenland sieht man heute noch Köpfe von Bruchweiden. Diese Kopfweiden sollten in Zeitabständen von mehreren Jahren immer wieder auf Stock gesetzt werden, da sonst die Köpfe aufgrund der Schwere der Äste auseinanderbrechen. Wie der Name der Bruchweide schon sagt, brechen die Zweige und dünneren Äste leicht – wie auch mehrjährige Ruten von Korbweiden – und können daher zum Flechten nicht verwendet werden. Zum Flechten eignen sich neben weiteren Weidenarten und einigen anderen Gehölzen vor allem die grüne und die gelbe Korbweide. Überwiegend verarbeitet wird die gelbe Korbweide, auch Dotterweide, genannt.

Das Gold des Korbflechters im Herbst.

Nießen und Husten ist ein „No go“

An kalten Wintertagen sitzt mein Vater beim Küchenofen, auf dem im hinteren Bereich die Bettsteine (Wärmesteine fürs Bett) zum Erhitzen liegen, flechtet Körbe und achtet nebenbei auf die angenehme Temperatur in der Küche und legt auch ab und zu im Futterkessel einige Holzscheite nach, in dem Kartoffel und Rüben für die Schweine gekocht werden, während die Nachbarinnen und unsere Mutter Kürbiskerne schälen oder Federn schleißen und Neuigkeiten austauschen. Unsere unfreiwillige Mithilfe beim Federnschleißen und Kürbiskerne schälen ist nicht von großer Bedeutung und das Nießen und Husten beim Feder schleißen nicht gerade von Vorteil!

Wie ein Korb entsteht

Vom grob sortierten Band stellt mein Vater mit kurzen stärkeren Weidenhölzern das Bodenkreuz her, woraus mit dünnen Ruten verflochten der Korbboden entsteht. Stärkere, gleich lange Ruten, die sogenannten Staken, steckt er in den Korbboden, knickt sie am Bodenrand und bindet sie mit einer Weidenrute zu einem Gerüst zusammen. Mit regelmäßig geflochtenen Ruten entsteht die Korbwand. Die Enden der Staken bilden den Abschlussrand, in den die Henkel aus Weiden- oder Haselnussholz eingeflochten werden.

Links: der fertig geflochtene Boden. Rechts: in den Boden werden die Staken gesteckt und oben zusammengebunden.

Der Riese unter den Korbflechtwaren

Neben den Körben, die täglich zum Viehfutter, Streu und Brennholz tragen, im Spätsommer zur Kartoffelernte und im Herbst zum Äpfel klauben verwendet werden, werden auch Henkelkeabln für die Obst- und Gemüseernte und zum Schwammerl suchen hergestellt. Aus den starken Ästen und Ruten wird ein großer Wagenkorb geflochten, der in den Mist- oder Leiterwagen gelegt wird, um Futterrüben, Ölkürbisse und in der Vegetationszeit Grünfutter (Gras und Klee) nach Hause zu transportieren.

Korbflechten

Links: mit dem Wagenkorb wird das Grünfutter nach Hause transportiert. Rechts: der perfekte Erntekorb (aus Stroh).

Neben geflochtenen werden auch genähte Gegenstände hergestellt. Aus glattem und reinem Weizen- oder Roggenstroh (nicht geknickt und sauber geputzt) und Weidenbändern werden genähte Körbe, sogenannte Strohkörbe, hergestellt.

Das Schabmachen

Um geeignetes Stroh zum Korbnähen zur Verfügung zu haben, machen unsere Eltern im Sommer das „Schab“. Beim Schabmachen werden die Garben nicht durch die Dreschmaschine gelassen, um das Stroh nicht zu beschädigen, sondern nur das obere Ende mit den Ähren in die laufende Maschine gehalten, um die Körner auszugeschlagen. Das Schab wird bis zur Verarbeitung im Winter trocken gelagert. Das Putzen des Roggen- und Weizenstrohs ist eine zeitraubende und langwierige Arbeit, die von uns Kindern erledigt wird: Von den einzelnen Halmen entfernen wir die Blätter, Hülsen und Ährenreste.

Aus diesem Getreidestroh werden die Körbe händisch gefertigt.

Das Bandausziehen

Zur Gewinnung der Weidenbänder werden von meinem Vater stärkere, gerade gewachsene Weidenstecken der Länge nach mit einem selbst angefertigten Drittel (Klieber) gespalten oder mit einem Messer geviertelt. Von den Weidenstreifen werden mit Weidenhobel und Messer Mark und Holzanteile entfernt, sodass nur mehr die äußere elastische Haut, ein Band, übrigbleibt. Dieser Arbeitsvorgang wird „Bandausziehen“ genannt.

Das Nähen eines Strohkorbes

Beim Strohkorbnähen werden mit der Ahle die Löcher gestochen, durch die das Band gezogen und mit einer Zange festgezurrt wird. Damit die Strohwülste gleichmäßig „wachsen“, werden Strohhalme immer wieder in den Lederring gesteckt.

Korbflechten

Das richtige Werkzeug zum Nähen eines Strohkorbes.

Aus Stroh und Band werden nicht nur Strohkörbe genäht, die zum Transportieren von Getreide, Obst, Gemüse und Brennholz verwendet werden, sondern auch Loazkörberl zum Eier abnehmen und zum Brotteig aufgehen lassen, Schüttkörbe mit Deckel, die zur mäuse- und rattensicheren Aufbewahrung von Getreide, Bohnen und Hirse dienen, und Bienenkörbe, mit denen der Imker einen mit der alten Bienenkönigin ausgeflogenen Bienenschwarm einfängt.

Im Loazkörberl geht das Brot am Besten.

Selbstgenähte Bienenkörbe.

Einfach zum Schmunzeln

Jemandem einen Korb geben; wenn jemand die Einladung zum Tanz ablehnt!

Es gibt sehr viele Arten von Weiden: Von dieser „Weide“ ernähren sich Kühe!

 

Habt ihr auch noch selbstgemachte Körbe daheim, oder flechtet sogar selber? Schreibt uns eure Erfahrungen in die Kommentare!

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