Weihnachten im Burgenland in den 1960er Jahren – Sautanz blickt zurück

Wie war Weihnachten im Burgenland der 1960er Jahre? Einerseits ist der Advent eine Zeit der Stille, der Buße, und der Vorfreude auf das große Fest. Andererseits ist der Advent eine Zeit der Herbstarbeiten im Haus und der Vorbereitungen.

Burgenland Weihnachten

Von wegen „Stille Adventzeit“

Von Ende November bis Weihnachten sind noch viele Arbeiten im Wohn- und Wirtschaftsgebäude zu erledigen und Reisig für Adventkranz, Barbarazweige und eine Fichte, als Christbaum, zu besorgen!

Frostsicherer Erdkeller

Kunstdüngersäcke, mit Stroh prall gefüllt, werden in den Öffnungen (Luftschächte) des Erdkellers verkeilt, um ihn frostsicher zu machen, wo Burgunder, Rüben, Kohlrüben, Erdäpfel, Brat- und Ölkürbisse, Kraut, Rote Rüben und Wurzelgemüse lagern und auch der Krautbottich und die Maische- und Mostfässer stehen bzw. liegen. Der feuchtkühle Erdkeller ist das ideale Überwinterungsquartier für Insekten und Spinnen. Auf der Kellerdecke sitzen viele Gelsen neben Wassertropfen und hängen einige mit unzähligen kleinen Wassertropfen besetzte „Baldachine“ der Spinnen.

Burgenland Weihnachten

 

Kürbisfruchtfleisch als Viehfutter

Um noch saftiges Futter für Rinder und Schweine im Spätherbst zu haben, werden nicht alle Ölkürbisse im Herbst geputzt, d.h. die Kürbiskerne vom Fruchtfleisch gelöst, sondern etliche im Erdkeller gelagert. Bis in den Dezember hinein werden täglich Kürbisse für eine Futterration geputzt und die Kerne im Backrohr oder im Backofen nach dem Brotbacken getrocknet und laufend in Brennnesselsäcke gefüllt.

 

Bohnen auskiefeln

Die seit der Ernte im Herbst ausgereiften und getrockneten Bohnen werden aus den Hülsen gekiefelt und in Schüttkörben am Dachboden mäusesicher aufbewahrt.

Äpfel und Apfelsaft als Vitaminspender

Aus den in der Tenne mit Decken vor Kälte geschützten Äpfeln der späten Sorten, die mit der Rübenmühle zerkleinert werden, wird mit der Obstpresse Apfelsaft erzeugt. Aufgrund der niedrigen Temperaturen im Erdkeller behält der Apfelsaft im Mostfass für viele Wochen seine Süße, sodass er von uns Kindern als noch alkoholfreies Produkt gerne getrunken wird. Die Äpfel für Frischverzehr und Apfelstrudel und zum Kochen als Kompott und Braten im Rohr lagern in der Futterkammer und werden in größeren Zeitabständen auf Fäulnis kontrolliert.

 

Vitamin C im Sauerkraut

Anfang Dezember werden die von welken Blättern und Strunk befreiten, gereinigten und halbierten Krautköpfe mit dem Krauthobel fein geschnitten und das Kraut schichtweise im Krautbottich mit Quittenspalten, Wachholderbeeren, Salz und Kümmel gewürzt und gestampft. Ein Teil der Krauternte bleibt im Erdkeller für den Verzehr als rohen Krautsalat, gekocht als Paradeiskraut und gebacken als Krautstrudel.

Burgenland Weihnachten

 

Mais als Grundnahrungsmittel

Auf dem „Woazressl“ (Maisrebler) werden die Körner der Kukuruzkolben von der Spindel gerebelt. Die seit der Ernte getrockneten Maiskörner werden mit der Schrotmühle gemahlen. Für den täglichen, aufgehenden türkischen Sterz mit süßem Malzkaffee zum Frühstück wird das Maismehl mit einem Mehlsieb von den groben Anteilen getrennt, die an Hühner und Schweine verfüttert werden.

 

„Butter stessen“ ist mühselig

Damit genug Butter für Weihnachtskekse und den laufenden Verzehr vorhanden ist, „dürfen“ wir Kinder den im Laufe von ca. zwei Wochen von der Milch abgeschöpften und in Milchstiezen aufbewahrten kaltgestellten Rahm im Butterfass stessen (stampfen), bis sich die Butter von der Flüssigkeit (Buttermilch) trennt. Abhängig von der Temperatur kann diese Arbeit bis zu zwei Stunden und mehr in Anspruch nehmen. Die Butter wird nach dem Auskneten der restlichen Flüssigkeit in Behälter gelagert, und die Buttermilch zu Braterdäpfel getrunken bzw. an die Schweine verfüttert.

 

Weihnachtskekse backen

Für das große Fest im Jahr und die Feiertage danach werden verschiedene Sorten von Keksen gebacken. Eier, die ab Ende Oktober im Luftkeller im Getreide konserviert werden, werden je nach Art der Kekse mit Mehl, Butter, Zucker und verschiedenen Gewürzen und Aromen, wie Salz, Backpulver, Vanillezucker, geriebene Walnüsse, Zimt, Anis etc., zu einem lockeren Teig geknetet. Nach dem Rasten wird der Teig mit dem Nudelholz ausgewalkt. Die mit verschiedenen Ausstechformen hergestellten Kekse werden auf einem Backblech im Backrohr hellbraun gebacken. Mit Schokolade- oder Zuckerglasur, Staubzucker und Stücken von Walnusskernen werden die gebackenen Kekse vollendet und bis zum ersten Weihnachtsfeiertag in Dosen aufbewahrt. Die (manchmal absichtlich) in Brüche gegangenen Kekse (Vanillekipferl waren sehr begehrt) dürfen gegessen werden.

Weihnachtskekse Burgenland

 

Etwas Besonderes ist Kletzenbrot

Einige Tage vor dem Weihnachtsfest wird beim Brotbacken in einer kleineren Backmulde die Teigmenge von zwei „Loab“ Brot mit getrockneten Birnen und Zwetschken, Kletzen genannt, die über Nacht in Wasser mit Zucker eingeweicht werden, Walnusskernen und Rahm geknetet. Die Kletzenbrotlaibe werden gemeinsam mit den anderen Brotlaiben im vorgeheiztem Backofen nach Entfernen von Glut und Asche gebacken.

Kletzenbrot

 

Geflügel als Festtagsbraten

Meine Eltern verkaufen an Privatpersonen für das Weihnachtsfest Gänse und Puten. Die Küken beziehen sie über das Lagerhaus bzw. züchten sie teilweise. Kurz vor dem Heiligen Abend werden sie geschlachtet, in siedendes Wasser getaucht, gerupft und von den Innereien befreit. Die Daunenfedern der Gänse werden trocken gerupft und aufbewahrt, und in den kalten Wintermonaten beim Federnschleißen die Kiele von den Daunen getrennt.

 

Fest der Ankunft, der Geburt, der Erscheinung und der Taufe Jesu Christi

Der Weihnachtsfestkreis beginnt mit dem 1. Adventsonntag und endet mit dem Tag der Taufe Jesu Christi durch Johannes dem Täufer am Sonntag nach dem Dreikönigstag.

Der Weihnachtsfestkreis bildet eine Perlenkette an beliebten Bräuchen, traditionellen Feiern, Überlieferungen, Regeln, Bitten und Wünschen. Der geflochtene Adventkranz wird mit vier Kerzen versehen. Am 4. Adventsonntag und Heiligen Abend (neben dem Christbaum) brennen alle Kerzen. Ab dem 1. Adventsonntag werden an Wochentagen in der Adventzeit schon sehr früh (vor Sonnenaufgang) die sogenannten Rorate-Messen nur bei Kerzenschein gefeiert.

Am 4. Dezember, dem Gedenktag der Hl. Barbara, werden Kirschbaumzweige, die sogenannten Barbarazweige, in einer Vase mit Wasser in der Küche aufgestellt. Die bis zum Heiligen Abend blühenden Zweige dienen an den Feiertagen als Blumenschmuck.

Am Abend des 6. Dezembers kommt der Nikolaus im roten Mantel, mit Bischofsmütze, weißem Bart, Stab und großem Buch, in dem die guten Taten der Kinder vermerkt sind. Begleitet wird er von einem pelzig bekleideten Krampus mit schiacha Maske, Rute und schwerer Eisenkette, mit der er laut rasselnd schon von Weitem den Besuch von Nikolaus und Krampus ankündigt. Nach deren Einlass sprechen die kleinen Kinder ein Gebet und bekommen vom Nikolaus kleine Äpfel und Nüsse. Der grimmig lärmende Krampus, der immer wieder mit der Rute auf die Kinder einschlagen will, wird vom Nikolaus daran gehindert.

Mariä Empfängnis am 08. Dezember ist ein gesetzlicher Feiertag.

Am 21. Dezember wird uns erklärt: „Der heutige Tag ist der kürzeste Tag im Jahr und zu Neujahr und am Dreikönigstag geht es wieder hinaus; die Tage werden länger und die Sonne kräftiger.“

Für den Heiligen Abend, dem Tag der Geburt Jesu Christi, wird die Kirche mit großen Christbäumen geschmückt und beim Seitenaltar die Weihnachtskrippe aufgestellt. Der Vormittag ist für Erwachsene eine Zeit des Fastens. Von den größeren Kindern wird im Laufe des Tages heimlich der Christbaum geschmückt. Das erste Essen für Erwachsene ist eine einfache Speise zu Mittag, während es am Abend zur Feier des Tages panierten Fisch mit Erdäpfelsalat gibt. Der Salat wird mit „Keimlingen“ von Rüben verfeinert. Nach dem Essen kommt für die kleinen Kinder das Christkind mit Christbaum und Geschenken! Die Tür ins Schlafzimmer wird geöffnet, wo die brennenden Kerzen am Baum den finsteren Raum erhellen. Nach dem Singen von Weihnachtsliedern werden die Geschenke (Bekleidung und Schulartikel) ausgepackt.

Weihnachten Burgenland

 

In der Nacht von 24. auf 25. Dezember wird die Christmette anlässlich der Geburt Jesu Christi gefeiert. Am Schluss wird es finster in der Kirche, sodass nur mehr die Kerzen auf den Christbäumen brennen, und das Lied „Stille Nacht, Heilige Nacht“ gesungen. Laut einer alten Überlieferung sprechen am Heiligen Abend die Tiere im Stall, weshalb der Stall in der Nacht nicht betreten wird.

Der größte Festtag ist der 25. Dezember, der Christtag, an dem die Geburt Jesu Christi mit dem Weihnachtsgottesdienst gefeiert wird. Zum Weihnachtsessen gibt es Geflügelsuppe mit selbstgemachten Nudeln und gefüllten Truthahn. Als Nachspeise gibt es endlich die Weihnachtskekse!

An den Weihnachtsfeiertagen wird das Kletzenbrot mit Apfelkompott gegessen.

Das Weihnachtsfest wird am 26. Dezember, dem sogenannten Stefanitag, mit dem Gedenken an den ersten christlichen Märtyrer – Stephanus – abgeschlossen. Nach der Messe besuchen die Kinder mit ihren Eltern die Weihnachtskrippe beim Seitenaltar. Während die Kinder die Figuren bestaunen, erzählen die Eltern vom Kind in der Krippe, Maria und Josef, Ochs und Esel und den Hirten mit den Schafen.

Weihnachtskrippe Burgenland

 

Das Fest der Unschuldigen Kinder wird am 28. Dezember gefeiert, an dem laut Überlieferung König Herodes alle neugeborenen Kinder töten lässt, da er in Jesus einen Konkurrenten sieht. Kinder gehen mit Ruten zum Auffrischen von Haus zu Haus und wünschen, während sie mit den Ruten leicht auf das Gesäß schlagen, Gesundheit, Glück und ein langes Leben, wofür sie Weihnachtskekse und Nüsse bekommen. Der Tag wird auch als Budeltag gefeiert: Am Nachmittag kommt die Nachbarin mit Süßigkeiten, Äpfeln und Nüssen in der Schürze zu uns, öffnet sie und lässt alles auf den Küchenboden fallen bzw. „budeln“. Während sich die größeren Kinder nur auf Süßigkeiten stürzen, schütten die Erwachsenen Wasser zwischen Süßigkeiten und größeren Kindern, damit die Kleinen auch von diesen etwas erwischen.

Nach den Weihnachtsfeiertagen gehen Ministranten als Sternsinger von Haus zu Haus, um Geld für die Mission zu erbeten. Mit Verkündigungen und frommen Wünschen betreten sie die Küche, streuen Weihrauch auf die heiße Herdplatte und segnen abschließend das Haus, indem sie die Anfangsbuchstaben der Bitte „Christus Mansionem Benedicat“ (Christus segne dieses Haus) bzw. der Namen der drei Könige Caspar, Melchior und Balthasar und davor und dahinter je zwei Ziffern des jeweiligen Jahres mit Kreide an die Haustür schreiben: 19-C+M+B-68. Als Belohnung bekommen sie Kletzenbrot, Weihnachtskekse und heißen Tee. Bevor sie weiterziehen, benutzen sie gerne unsere gut präparierte Wintersportanlage: Den Stock mit dem Stern in den Schnee gesteckt, das Weihrauchfass und die Spendendose daneben hingestellt und schon geht es zum Sacklrutschen der gekrönten Häupter auf unserer vereisten Schneebahn im Obstgarten auf mit Stroh gefüllten Kunstdüngersäcken den Berg hinunter.

Burgenland Weihnachten

 

Die Nacht vor dem Dreikönigstag ist die letzte der drei Raunächte (Heiliger Abend, Silvester). In einer der drei Nächte, während der Rosenkranz gebetet wird, werden alle Räume ausgeräuchert, um Gottes Hilfe und Segen für Menschen, Tiere, Haus und Hof zu erbitten. Am Dreikönigstag wird die Weihnachtskrippe mit den Heiligen Drei Königen Caspar, Melchior und Balthasar und dem Stern auf dem Dach des Stalles, der die Weisen aus dem Morgenlande führt, komplettiert. Bevor am Abend der Christbaum abgeräumt wird, werden zum letzten Male die Kerzen entzündet.

Recyceln: Aus dem oberen Teil des Christbaumes wird ein Sprudler (Quirl) hergestellt.

Sprudler

 

Mit dem Fest der Taufe Jesu Christi durch Johannes dem Täufer wird am Sonntag nach dem 6. Jänner der Weihnachtsfestkreis abgeschlossen.

 

Könnt Ihr Euch noch an Eure früheren Weihnachten im Burgenland oder sonst wo? Teilt uns gerne Eure Erfahrungen in den Kommentaren mit.

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