Mit dem Biber leben lernen – Clemens Trixner im Interview

Er ist ein wahrer Biber-Spezialist, berät in Konfliktfällen mit dem pelzigen Nager und ist im ganzen Land im Einsatz. Wir haben Clemens Trixner, den burgenländischen Bibermanager, zum Interview gebeten.

Sautanz: Wie immer als Erstes zu Beginn unseres Interviews: stelle Dich bei unseren Leserinnen und Lesern selbst kurz vor.

Clemens Trixner: Ich bin Landschaftsplaner und Wildtierökologe und komme ursprünglich aus dem Mostviertel. 2018 bin ich dann den Bibern ins Südburgenland gefolgt.

Du bist nun seit sechs Jahren Bibermanager im Burgenland. Woher kam Dein Interesse zum Biber und wie kam es zu dieser außergewöhnlichen Anstellung?

Ich habe mich schon als Student an der Universität für Bodenkultur im Fachbereich Landschaftsplanung mit dem Biber beschäftigt und mich im Masterstudium auf „Wildtierökologie und Wildtiermanagement“ spezialisiert. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft konnte ich von den KollegInnen lernen, die das Bibermanagement in Niederösterreich schon viele Jahre betreut haben. 2015 startete dann das Bibermanagement Burgenland von der Universität für Bodenkultur aus. Ich hätte nie gedacht, dass mich die Biber eines Tages ins Burgenland führen werden…

Wieso sind die Biber im Burgenland verschwunden gewesen und seit wann sind sie hierzulande wieder heimisch?

Die letzten österreichischen Biber sind in den 1860er Jahren erlegt worden, also ungefähr zu dem Zeitpunkt, als der Neusiedler See das letzte Mal ausgetrocknet war. Sein außergewöhnlich dichtes Fell war sehr begehrt für Hüte. Das berühmte Drüsensekret „Castoreum“, auch „Bibergeil“ genannt, war so etwas wie das Aspirin des Mittelalters. Biber waren also sehr begehrt und wurden bei uns schlicht übernutzt. Untypisch für Nagetiere haben sie ja nur einmal im Jahr zwei bis drei Junge, die dann zwei Jahre von den monogamen Elterntieren lernen.

Der burgenländische Bestand geht auf die Wiederansiedlungsprojekte in den 1970/80er Jahren im heutigen Nationalpark Donauauen und später in Ungarn am Einserkanal zurück. Die Ausbreitungsdistanzen des Bibers werden häufig unterschätzt. Er hat es geschafft die burgenländischen Gewässer über das Donau- bzw. das Raab-Rabnitz-System selbstständig zurückzuerobern. Erst seit den 2000er Jahren kann man im Burgenland wieder Biberzeichen an den Gewässern entdecken. Viele meinen es handle sich beim Biber um keine heimische Art, weil Eltern und Großeltern ihn nie zu Gesicht bekommen haben. Tatsächlich war er ein Ureinwohner, der flächig verbreitet war und Jahrtausende lang eine entscheidende Rolle für die Gewässerökosysteme in Europa gespielt hat.

Dort wo Du im Burgenland auftauchst, geht es wohl nicht immer ganz konfliktfrei ab. Welche Resonanz aus der Bevölkerung gibt es zu Deiner Tätigkeit bisher?

Die Erfahrung zeigt, dass das Auftauchen des Bibers fast immer Informations- und Aufklärungsarbeit erfordert. Sehr viele Konflikte entstehen durch einen gewissen Informationsmangel. Das Land Burgenland hat 2015 das sogenannte „Biber-Telefon“ als zentrale Kontaktstelle ins Leben gerufen. Gerade darf ich eine neue Kollegin einschulen, die das Projekt unterstützen wird. Wir erledigen eine Aufnahme der Biberzeichen und informieren in Gummistiefel vor Ort über die Lebensweise und lokale Präventivmaßnahmen. Die Meldungen reichen von wenigen Quadratmetern Fraß im Maisfeld bis hin zu einem Röhreneinbruch neben einem Uferbegleitweg.

Es melden sich aber auch sehr viele BurgenländerInnen, die von der Gestaltungskraft des neuen Nachbarn begeistert sind und sich einfach informieren möchten. Der Biber eignet sich hervorragend, um Bewusstseinsbildung zum Thema Gewässerschutz zu betreiben.

Die typischen Biberspuren an einem Gewässer (Foto: C.Trixner).

Was ist Deine Einschätzung, nehmen die Konflikte tendenziell zu, oder lernen die Menschen im Burgenland – auch durch Deine Arbeit – mit dem Biber besser auszukommen?

Das Beobachten wir über die Fallstatistik ganz genau. Mit der Ausbreitung des Bibers in die Nebengewässer sind die Fallmeldungen in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Rund 100 Gemeinden haben das Angebot bereits angenommen und wir konnten in einer relativ frühen Phase schon mit der Informationsarbeit beginnen. Der Biber als „Baumeister“ ohne Auftrag stellt Landnutzergruppen und Behörden vor gänzlich neue Herausforderungen. Er zeigt plötzlich als neuer Standortfaktor auf, der sich nicht mehr so einfach wegdividieren lässt und bei Neuplanungen von Hochwasserschutzdämmen, Wegen oder Teichanlagen neben Gewässern mitgedacht werden muss. Der Erfahrungsschatz im Umgang mit Bibereinflüssen steigt. Mit unserer Arbeit dürfen wir diesen gesellschaftlichen Prozess begleiten und auf die Herausforderungen, aber auch auf die Chancen mit dem Biber hinweisen.

Was waren die bisherigen Schmankerln Deiner Tätigkeit? Was hat bei Dir besonderen Eindruck hinterlassen?

Ein erfreuliches Beispiel ist eine Freikauf-Aktion des Naturschutzbund Burgenland. In der Gemeinde Draßmarkt wurde einem Waldbesitzer über eine Spendenaktion das Grundstück abgelöst. Durch die Außernutzungsstellung kann die ansässige Biberfamilie diesen Gewässerabschnitt nach ihren Bedürfnissen gestalten. Das Besondere dabei ist, dass dadurch viele andere geschützte Arten profitieren. Der Biber ist in Zeiten dieser horrenden Artensterberaten ein echter „Wunderwuzi“ für den Biodiversitätsschutz. Feuchtflächen zählen heute zu den gefährdetsten Lebensräumen.

Mit Glück bekommt man einen Biber in freier Wildbahn zu Gesicht (Foto: P. Horvath).

Gibt es Austausch mit Berufskollegen aus den anderen Bundesländern bzw. mit unserem Nachbarn Ungarn? Ist die Herangehensweise dort eine ähnliche wie im Burgenland?

Ja, auch dort gibt es Biberbeauftragte und der Austausch ist unbedingt notwendig. Naturschutz ist in Österreich zwar Ländersache, aber alle stehen bei diesen Themen vor denselben fächerübergreifenden Herausforderungen.

In unserem vorletzten Interview haben wir Werner Unger provokant gefragt, wann sich das Südburgenland-Management für das Südburgenland rechnet. Nun sei uns auch diese freche Frage erlaubt: Wann rechnet sich das Bibermanagement?

Mit dem „Biber-Telefon“ steht ein rascher Ansprechpartner bei Mensch-Biber-Konflikten zur Verfügung. Wir stellen uns als Vermittler zwischen Betroffenen und zuständiger Naturschutzbehörde zur Verfügung. Für das Burgenland können jetzt neue, innovative Ansätze entwickelt werden, um einen Ausgleich zu schaffen. Wichtigster Partner ist der Wasserbau. Langfristig kann der Biber im Burgenland seine Rolle als „Ökosystemingenieur“ dort ausspielen, wo der Gewässerrandstreifen ausreichend breit ist. Die Etablierung eines Puffers kommt dem Gewässer insgesamt zu Gute. Wenn man den heutigen ProfessorInnen aus den Bereichen Hochwasserrisikomanagement zuhört, könnte man meinen, sie halten eine Werberede für den Biber, ohne ihn zu erwähnen. Den Gewässern mehr Platz zu geben ist die große raumplanerische Herausforderung. Im Hinblick auf den Klimawandel ist das Thema „Wasser“ eines der brennendsten des Jahrhunderts.

Wenn es gelingt fächerübergreifende Synergien zwischen Naturschutz und Wasserbau zu schaffen, kann der Biber durch seine Dammbauaktivität für Wasserrückhalt und Grundwasserspeisung sorgen. Diese sogenannten „Ökosystemdienstleistungen“ in Zahlen zu verpacken ist mehr und mehr Aufgabe der ÖkonomInnen.

Wann sollten wir den Bibermanager zu Rate ziehen und wie können wir Dich kontaktieren?

Das Bibermanagement sammelt zentral Biber-Meldungen und steht allen Interessierten für Austausch zur Verfügung. Jeder ist eingeladen mitzudiskutieren und sich zu beteiligen! Für besonders Interessierte bieten wir wieder Schulungen für die Aufnahme von Biberzeichen mit einer GPS-App an. Das aktuelle LE-Projekt läuft bis 2023 und wird vom Land Burgenland und der EU gefördert.

Weitere Informationen und Kontaktdaten: www.burgenland.at/biber

🐽 Sautanz Word-Shuffle

Glück

Ich bin jetzt seit vielen Jahren jede Woche für die Aufnahme von Biberzeichen und der Konfliktanalyse in Biberrevieren unterwegs. Ich hatte nur wenige Male das Glück einer Sichtung. Biber sind dämmerungs- und nachtaktiv.

Abschussplan

Der Biber ist im Burgenland streng geschützt und nicht im Jagdrecht gelistet.

Lebensraum

Der Lebensraum Gewässer hört nicht an der Wasserlinie auf.

100 Jahre Burgenland

Gratulation!

BOKU

Weckt Heimatgefühle!

Sautanz

War mir eine Freude bei euch „aufzutanzen“! Viel Erfolg für euren Blog!

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