In memoriam: Norbert Barisits, der Titelkönig aus Siegendorf

Manch fußballaffine Zeitgenossen bezeichneten ihn als „Ernst Happel des Burgenlandes“: Norbert Barisits. Mit 66 Jahren verstarb der beeindruckende, akribisch arbeitende Fußballtrainer und Kenner der burgenländischen Regionalgeschichte.

Norbert Barisits

„Simmering gegen Kapfenberg – das nenn‘ ich Brutalität!“ pflegte der legendäre Kabarettist Helmut Qualtinger einst zu sagen, wenn man ihn auf den in Spanien praktizierten Stierkampf ansprach. Weniger brutal, dafür mit unendlicher Leidenschaft und aufopferungsvoller Hingabe werkte Norbert Barisits für vier Jahre als Trainer der Simmeringer im elften Wiener Gemeindebezirk.

Über die burgenländischen Landesgrenzen hinaus bekannt wurde der gebürtige Siegendorfer durch ein wahrliches Kunststück, das einst in der beschaulichen 2. Liga Nord in der Nachbargemeinde Klingenbach begann. Der Erfolgslauf mit dem ASK Klingenbach führte dank des Meistertitels in der Regionalliga Ost zum Durchmarsch in die damalige 2. Division, die sich heute (endlich auch wieder) 2. Liga nennt und der Logik folgend die zweithöchste Spielklasse im österreichischen Fußball darstellt.

 

„Magic“ in Untersiebenbrunn

Der abermalige – und nicht letzte – Aufstieg in die zweite Liga gelang fünf Jahre später mit dem SC Untersiebenbrunn. Mit dem noch jungen und späteren England-Legionär Paul Scharner sowie dem formidablen Hallenzauberer Markus „Magic“ Aigner, mitunter der schillerndste Fußballer bei den Marchfeldern, gelang im ÖFB-Cup 2002 ausgerechnet gegen Kooperationspartner Austria ein Überraschungssieg. Im Viertelfinale war daheim erst gegen den späteren Pokalsieger GAK im Elferschießen Schluss mit lustig. Norbert Barisits erzeugte nicht nur wegen des sportlichen Erfolgs seiner Mannschaft wachsendes Interesse in der österreichischen Medienlandschaft, sondern baute schon früh moderne Trainingsmethoden wie simulierte Spielsituationen und externe sportmedizinische Expertise in sein Konzept ein.

Eine Zeitlang neben dem Traineramt beim SC Untersiebenbrunn fungierte Barisits bei der von Mäzen Frank Stronach subventionierten Wiener Austria als sportlicher Leiter der Nachwuchsarbeit. Sein Aufgabengebiet erstreckte sich von allen Nachwuchsteams der „Veilchen“ über die Austria Amateure bis zur Stronach-Nachwuchs-Akademie in Hollabrunn.

Insgesamt 19. Titel feierte der Siegendorfer, der stets eine feine Klinge in der Wortwahl pflegte, mit den von ihm trainierten Mannschaften. Dreimal gelang der Aufstieg von der dritten in die zweite Leistungsstufe – zuletzt in der Saison 2005/06 mit dem heutigen Bundesligisten TSV Hartberg. Auch den Linzer Traditionsverein LASK coachte Barisits nach dem Ende bei Untersiebenbrunn in der zweithöchsten Spielklasse. Dabei verhalf er dem späteren Nationalteamspieler Florian Klein zum Profi-Debüt in der „Kampfmannschaft“. Nach seinem Engagement in der Steiermark war Barisits fast ausschließlich im Burgenland aktiv, u.a. in der Hauptstadt beim späteren in die Insolvenz geschlitterten SC Eisenstadt.

 

Stets mit vollstem Engagement

Beruflich war der mehrsprachige Barisits als Lehrer tätig, außerdem war er Geschäftsführer bei der Barisits Tankstellen Betriebs GmbH, welche insgesamt acht Tankstellen im Burgenland betrieb. Im Jahr 2017 wurde bei Barisits Lungenkrebs diagnostiziert. Nach einer überstandener Chemotherapie, die Entfernung der Hälfte seiner Niere und Metastasen im Kopf machte der akribische Hobby-Historiker, der sich auch in der Facebook-Gruppe „Das alte Burgenland in historischen Ansichten“ rege beteiligte, daneben seinen Doktor im Studium der Philosophie. Dem nicht genug, bildete er sich „nebenbei“ bis zuletzt weiter, sodass er zum gerichtlich zertifizierten Fußballsachverständigen vereidet wurde. Wenn ein Gericht zum Beispiel klären muss, ob eine schwere Verletzung auf dem Spielfeld fahrlässig oder gar vorsätzlich herbeigeführt wurde, hätte Barisits als Experte beigezogen werden können.

Bis 2021 stand er für den traditionsreichen 1. Simmeringer Sportclub an der Seitenlinie, ehe er aus gesundheitlichen Gründen sich aus dem Trainerdasein zurückziehen musste.

Am 22. Juni 2023 verstarb der für sein weitreichendes Wissen und Empathie geschätzte „Fußball-Professor“ nach langem Kampf gegen seine schwere Krankheit. Abseits der beeindruckenden sportlichen Leistungen in den mehr als 40 Jahren auf der Trainerbank verlor das Burgenland eine seiner prägendsten Persönlichkeiten im Sport. Möge man ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren.

 

 

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