Hier wird Handwerk gelebt – zu Gast bei Erbe & Saponi in St. Martin an der Raab

Diesmal sautanzen wir mit Peter Bamler und Helge Herwerth. Die beiden berichten in diesem kurzweiligen Interview über Burgenlands jüngste Seifenmanufaktur.

Seife Erbe & Saponi

Erbe & Saponi (frei ins Burgenländische übersetzt: Kreidln & Soaf) lautet der klingende Name, der auch ein bisschen italienisches Lebensgefühl ins Südburgenland bringen soll. Peter und Helge haben zusammen mit Schwester und Schwager in St. Martin an der Raab ein altes Bauernhaus gekauft, renoviert und produzieren seit Anfang des Jahres 2020 handgemachte Naturkosmetik. Die beiden sprechen im Sautanz-Interview über einen durch Corona denkbar erschwerten Start, geben Einblick in ihre Passion, worauf es bei einer qualitativ hochwertigen Seife ankommt und warum ausschließlich Natur in ihren Produkten steckt.

Sautanz: Das Südburgenland gilt ja nicht gerade als geografisches Zentrum Österreichs oder gar des Burgenlandes. Warum habt ihr euch für diese Gegend entschieden?

Helge: Im Grunde hat sich das Südburgenland für uns entschieden.

Peter: Wir haben einen Ort gesucht, wo mediterrane Pflanzen gut wachsen. Da hat das Südburgenland klimatisch ja beste Voraussetzungen. Aber dass es dann wirklich St. Martin geworden ist, war reiner Zufall, da unsere Suche grundsätzlich eher großräumig angelegt war. In St. Martin stand ein Bauernhof in idyllischer Umgebung mit Möglichkeit zum Ausbau einer Werkstatt und eines Hofladens zum Verkauf, also optimal für unser Vorhaben. Vor etwa einem Jahr haben wir mit dem Um- und Ausbau begonnen.

Wann habt ihr erstmals die Idee gehabt eine eigene Seifenproduktion zu starten?

Helge: Das hat sich entwickelt. Als wir noch am Theater in Bern engagiert waren, standen wir tagsüber auf dem Weihnachtsmarkt und haben Seifen verkauft und abends auf der Bühne in einer Silvesterkomödie.

Peter: Spaß gemacht hat uns ja beides. Wir sind beide Schauspieler und hatten eine gewisse Leidensgeschichte hinter uns  – was unsere Haut angeht. Schließlich haben wir irgendwann realisiert, dass das Abschminken auch mit einer reinen Pflanzenölseife möglich ist und die Haut viel weniger reizt. Da haben wir uns gedacht: das könnten wir ja auch selber herstellen. Das waren die ersten Schritte.

Das sind ja durchwegs interessante Fügungen: Zuerst das Südburgenland, dann die Seifenproduktion an sich, was ja nicht gerade was Alltägliches ist. Und dann noch dieser Name. Wie kommt man auf Erbe & Saponi?

Peter: Auch da hängt unser Sprachgefühl als Schauspieler mit drin. Wir wollten, dass die Kräuter und Duftpflanzen als Bestandteil im Namen vorkommen. Kraut und Seife, das steckt in unserer E-Mail-Adresse, klang uns aber als Firmenname zu hart. Man denkt bei Kraut eher an Sauerkraut und nicht an Duftpflanzen und Kräuter. In Erbe & Saponi schwingt für uns das Licht und die Leichtigkeit des Südens.

Helge: Wir haben schon immer eine Liebe zu Italien gehabt.

Was bietet ihr eigentlich alles an?

Peter: In erster Linie produzieren wir handgemachte Pflanzenöl-Seifen. Und auch Produkte für die Gesichts- und Körperpflege. Unsere Besonderheit dabei ist, die Produkte ganz individuell auf die Bedürfnisse unserer Kunden abstimmen zu können.  Aromaberatung bedeutet personalisierte, ganzheitliche Hautpflege. Wir beduften unsere Pflanzenölseifen mit reinen ätherischen Ölen. Was ziemlich luxuriös ist, denn die Öle sind sehr kostbar. Doch sind sie die Duftstoffe der Natur. Und in wirklich echten Natur-Seifen haben nach unserem Verständnis synthetische Duftöle nichts verloren. Noch wirkungsvoller kommen ätherische Öle zum Beispiel in einer Creme zum Einsatz, einerseits auch wieder als Duftstoff, der über unser Riechsystem auf unsere Psyche wirken kann, aber auch als Wirkstoff für unsere Haut. 

Wir entwickeln reine Naturkosmetik. Das bedeutet keine Mineralöle, kein Parabene, keine Silikone, kein Mikroplastik. Und eben keine künstlichen Duftstoffe. Bei unseren Produkten versuchen wir, saisonal durchaus unterschiedliche Produkte zu schaffen. Der wässrige Anteil unserer Feuchtigkeitscreme bestand letztes Frühjahr zum Beispiel aus hauseigenem Holunder-Hydrolat, im Herbst haben wir unsere Quitten zu Hydrolat verarbeitet. Und bei der Qualitätssicherung kommt meine Schwester ins Spiel, als gelernte chemisch-technische Assistentin und ärztlich geprüfte Aromapraktikerin steuert sie Ihre Erfahrung ins family business bei.

Helge: Und außerdem gibt sie ihr Wissen in Kursen weiter. Sie kümmert sich um das Thema Naturkosmetik, wir steuern Kursangebote zur Destillation von Duftpflanzen und zum Seifensieden bei.

Habt ihr vor, dass eure Produktpalette auch größer wird?

Helge: Wir versuchen uns auf das zu konzentrieren, was wirklich wichtig ist.

Peter: Wir probieren natürlich gerne aus und experimentieren, wie zum Beispiel bei manchen Rezepturen oder Düften, aber im Endeffekt soll es eine Grundlinie geben.

Helge: So wenig Inhaltsstoffe wie möglich, beste Rohstoffe, umweltfreundlich hergestellt und auch problemlos abbaubar, abgestimmt auf die persönlichen Bedürfnisse des Kunden.

Peter: In dieser Hinsicht kann unsere Produktpalette schon wachsen, da die Kunden in der Aromaberatung bestimmen können, was auf Ihre Haut kommt und jede Haut anders ist.

Wie funktioniert die Seifenproduktion an sich? Gibt es da sehr viel worauf man achten muss?

Helge: Oh ja. Wir produzieren im klassischen Kaltrührverfahren und spezielle Seifen im Heiss-Verfahren, wo wir die Überfettungsöle und kostbaren Wirkstofföle- wie zum Beispiel das Wildrosenöl bei der Rosenseife – erst nach dem Verseifungsprozess dazugeben. Die Seifenrezepturen sind fein aufeinander abgestimmte Kompositionen verschiedener Pflanzenöle und Fette, eine Seife soll ja Verschiedenes können: reinigen, pflegen, rückfetten, schäumen, sich nicht zu schnell aufbrauchen, gut duften …

Peter: Kokos- oder Palmfett sorgen in einer Seife für Festigkeit und auch für Schaum. Auf Palmfett verzichten wir bewusst. Wir könnten dafür auch Rinderfett nehmen. Das ist dann eine Glaubensfrage: sollen wir überhaupt tierische Fette verwenden?

Außerdem braucht es eine Lauge, damit beginnt der Verseifungsprozess. Wir rühren bis der Seifenleim andickt, dann kommt die Seife in die Form, anschließend muss eine kaltgerührte Seife bis zu 24 Stunden ruhen, bis man sie schneiden kann und dann noch vier Wochen reifen.

Helge: Das ist die technische Seite. Für mich ist das langsame Schmelzen der Fette, das Ineinanderfließen der verschiedenen Materien fast ein meditativer Vorgang. Das sind wunderbare Momente, die wir im Leben sonst kaum verspüren, weil wir uns die Zeit dafür nicht mehr nehmen. Das empfinde ich als große Qualität dieser Arbeit.

Peter: Es entsteht jedes Mal aufs Neue was anderes. Das ist wie beim Theater.

Wie viel Zeit und Erfahrung braucht es, um Produkte von euer Qualität herzustellen?

Helge: Sehr, sehr viel.

Peter: Angefangen haben wir vor fünf Jahren bei einer Freundin in Klosterneuburg – servus Waltraud!

Helge: Damals am Theater bekam ich Ausschlag vom Bärte-Kleben mit Mastix. Meine Haut sah schrecklich aus und brauchte Pflege! Mit Waltraud haben wir eine Seife mit Arganöl gesiedet. Anfangs war ich skeptisch, doch allein das Waschen mit dieser Seife hat mir sehr schnell geholfen. Von da an waren wir angezündet.

Im Laufe der Zeit haben wir diverse Kurse und Ausbildungen gemacht. Das Destillieren von Duftpflanzen lernten wir bei Georg Effner und Reinhard Hemmer in Illertissen, Peter machte dann seine Ausbildung zum Aromakologen bei arteverde in Vorarlberg, u.a. bei Ruth von Braunschweig und Monika Werner. In Bern ging es dann wirklich los: wir konnten uns bei Pia Hess, einer Schweizer Naturkosmetik-Pionierin weiterbilden und viel know-how aneignen.

Peter: Es war eine großartige Lehrzeit, als wir bei Pia in der Werkstatt mit anpacken durften. Es war learning by doing.

An welchen Qualitätsmerkmalen erkennen unsere Leserinnen und Leser den Unterschied zwischen eurer Handarbeit und industriell gefertigten Seifen?

Helge: Ich finde, durch unsere komplette Handarbeit haben unsere Produkte Qualität, Charakter und Seele. Wenn ich vor dem vollgestopften Supermarktregal stehe, bin ich überfordert und kapituliere vor der Masse.

Peter: Bei uns ist jedes Stück ein Unikat in Duft und Farbe, Form und Haptik, von A bis Z selbstgemacht, von Konzeption über die Herstellung bis zur Verpackung – wir machen alles selbst.

Woher bezieht ihr eure Rohstoffe?

Peter: Wo immer es geht, versuchen wir regional zu kaufen. Sonnenblumen- und Rapsöl können wir schon aus dem Burgenland beziehen, Sojaöl immerhin aus der benachbarten Steiermark.

Helge: Unser Traum wäre ja sowieso eine eigene Ölmühle.

Was sind denn eigentlich eure klassischen Kundinnen und Kunden und wo kann man eure Produkte beziehen?

Helge: Menschen 😊. Ich bin jedes Mal begeistert, wenn wir auf dem Markt stehen, Groß und Klein zu uns kommt und man Begegnungen mit den unterschiedlichsten Leuten hat.

Peter: Am Marktstand können wir sie beraten und auf persönliche Bedürfnisse eingehen. Wir haben zwar einen Webshop, aber es ist schöner mit den Menschen in direkten Kontakt zu kommen.

Helge: Weiters gibt es die Möglichkeit, unsere Produkte in unserem kleinen Hofladen bei uns zu erwerben.

Spürt ihr die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise und wie war euer Jahr 2020?

Helge: Also als wir mit dem Ausbau angefangen haben im Februar 2020, konnte freilich noch niemand ahnen was da noch kommt.

Peter: Es war ein echtes Stop-and-Go. Wir sind gerade noch umgezogen, da waren die Grenzen auch schon zu. Dann wurde gelockert, wir hatten schon die ersten Kunden hier und boten kleine Schnupperkurse an. Und dann war wieder Schluss. Das macht es natürlich sehr schwer, denn es ist jedes Mal ein „zurück auf Null“.

Helge: Wir hoffen auf‘s Beste, dass wir bald wieder auf Märkte gehen können.

Was sind denn eure Pläne für die Zukunft?

Helge: Ich hab mir abgewöhnt Pläne zu schmieden. Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.

Peter: Im Garten wollen wir dieses Jahr noch mehr Duftpflanzen anbauen. Damit unsere Besucher auch erleben können, wo die ätherischen Öle herkommen. Wir wünschen uns, dass wir wieder auf Märkte gehen und auch unsere Kurse anbieten können.

Helge: Es wäre toll noch mehr Menschen zu zeigen, wie simpel biologische Hautpflege eigentlich ist und wie wenig man braucht, um viel zu erreichen.

 

Das alte Bauernhaus am Wehappeck

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🐽 Sautanz Word-Shuffle

Glück

Helge: Das Glück kann man nicht einfangen, erkenne es wenn es da ist.

Peter: Das Glück kennt nur Minuten 😊

Heimat

Helge: Heimat ist dort wo das Herz ist. Klingt abgedroschen, bestätigt sich aber im Leben.

Peter: Dem kann ich nur zustimmen.

100 Jahre Burgenland

Helge: Ich hätte nie gedacht, dass ich pünktlich zum Geburtstag hier bin. Ich bin jeden Tag froh und glücklich, wenn ich hier aufwache.

Peter: Für mich ist es erstaunlich, dass das Burgenland in seiner heutigen Form erst so kurz ein Teil Österreichs ist. Wenn ich die Jahrhunderte vor 1921 betrachte, wie oft es hin und her ging. Für uns ist das Burgenland heute eine Region mit viel Potential, vor allem hier im Südburgenland. Vieles ist noch möglich.

Helge: Im Burgenland spüre ich noch viel stärker das Ursprüngliche im Vergleich mit anderen Orten.

Italien

Helge: E una cosa difficile! Eine Herzensangelegenheit! Als ich jung war, studierte ich Grafik in Florenz. Seitdem habe ich eine sehr große Zuneigung und Liebe zu Italien, schwer vergleichbar mit was anderem. Ich lernte dort mit 18 Jahren Autofahren…

Peter: … und jetzt fährt er im Burgenland (lacht)…

Helge: Außerdem steht Italien für unsere große Vorliebe für Citrusfrüchte. Agrumi, agrumi!

Peter: Die wir auch sehr gerne verarbeiten. Also steckt in unseren Produkten auch gewissermaßen italienisches Lebensgefühl 😊

Handarbeit

Peter: Enorm wichtig für uns. Es hat sich total verschoben, was ich früher unter Handarbeit verstanden habe. Früher war es für mich ein wenig „spießig“, heute verstehe ich darunter etwas von hoher Qualität.

Helge: Als Schauspieler arbeitet man für den Augenblick. Szene, Vorhang, Schluss, Punkt. Durch Handarbeit schaffe ich etwas über den Moment hinaus.

Sautanz

Peter: Ausgelassenes Feiern und Lustigkeit in angenehmer Gesellschaft.

Helge: Lebensfreude. Sautanz ist alles was ein Tier den Menschen geben kann, wenn man gut zu ihm war.

 

Helge Herwerth (51) und Peter Bamler (56) stammen ursprünglich aus Nord- bzw. Süddeutschland. Im Jahr 2020 wählten sie das beschauliche St. Martin an der Raab als ihren gemeinsamen Lebensmittelpunkt. Auf dem eigenen Hof am Wehappeck gründeten sie ihre Manufaktur Erbe & Saponi für Seifen und Naturkosmetika. Bevor sie sich entschieden ins Südburgenland zu übersiedeln, arbeiteten die beiden an Theatern u.a. in Bern, München und Nürnberg.
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