„Im Fußball zu arbeiten war und ist ein Privileg“ Georg Pangl im Sautanz-Interview

Seit 35 Jahren arbeitet Georg Pangl im Fußball-Business und kennt die Vorgänge in den internationalen Organisationen des weltweiten Profifußballs. Im Sautanz-Interview spricht der Experte über seinen Werdegang, seine Wegbegleiter und Fußball im Burgenland.

Georg Pangl Sautanz Interview

von Clemens Faustenhammer

Georg Pangl war über Jahrzehnte auf österreichischer und internationaler Ebene Spitzenfunktionär im Fußball. Der 59-Jährige aus Stotzing war beim ÖFB, in der UEFA, der österreichischen Fußball-Bundesliga und bei den European Leagues tätig. Heute leitet er die Pangl Football Group, die für diverse Projekte im Fußball steht. Ans Herz gewachsen ist ihm insbesondere das Thema Nachhaltigkeit in Verbindung mit dem Fußballsport.

Allerdings kennt er auch die Interessenkonflikte, Machtspiele und oft seltsamen Vorgänge hinter den Kulissen des weltweiten Profifußballs. Wer mehr über die spannende Karriere des ehemaligen Bundesliga-Vorstands erfahren möchte, dem sei das Buch „Mein Theater der Träume“ empfohlen. Dieses Werk kann direkt per Email bei Georg Pangl bestellt werden.

 

Sautanz: Lieber Georg, was fällt Dir zu Topfengolatschen ein?

Georg Pangl: Die Topfengolatsche bildet eine Brücke in vergangene Zeiten. Dabei kommen Erinnerungen an die Backstube der Bäckerei Fekete meiner Großeltern hoch. Als Befangener muss ich sagen, dass meine „Bäck-Oma“ die besten Topfengolatschen und Nussstangerl machte. Der Kreis schloss sich mit der Zeit als ich die Geschäftsleitung der österreichischen Fußball-Bundesliga übernommen hatte. Damals wurden unsere Gäste in Hietzing auf Wunsch mit warmen Topfengolatschen zum Kaffee bewirtet.

Also deutlich positive Emotionen. Ich kann mir vorstellen, dass sich das mit dem Fußballsport ähnlich verhält. Aber am besten, Du erzählst uns selbst davon.

Meine ersten „Packler“ habe ich als 10-Jähriger Bursche beim UFC Stotzing in der damaligen Schülermannschaft, heute U-14 zerrissen. Sobald ich das Alphabet beherrschte, schnappte ich mir den Kurier von meinem Vater und begann diesen zuerst mit dem Sport-Teil von hinten zu lesen. Mit dem Fußball verbinde ich auch meinen Lebensmensch Paul Gludovatz. Auch die verschiedenen Begegnungen mit Allzeitgrößen wie Sir Bobby Charlton, Ferenc Puskás, Eusebio, David Beckham oder Franz Beckenbauer sowie die Arbeit mit meinem Kindheitsidol Hans Krankl beim Nationalteam oder mit Herbert Prohaska in der Bundesliga sind unvergessene emotionale Momente, die ich in den letzten dreieinhalb Jahrzehnten erleben durfte.

In Deinem Buch gehst Du detailliert auf die einzelnen Stationen Deiner 35 Jahre andauernden Karriere im Fußball ein. Wie hat sich Deine Sicht auf den Fußball seit 1986 verändert? Beginnen wir mit einem Lagebild hierzulande.

Vor knapp 40 Jahren war uns im ÖFB schon bewusst, dass eine ausgebaute und intakte Infrastruktur essenziell für den sportlichen Erfolg ist. Die modernen Stadien in Europa waren damals dafür errichtet, auch abseits vom Spieltag Konzerte oder Events und durch Hospitality-Angebote zum Beispiel Konferenzen o.ä. zu veranstalten. Damals war ehrlicherweise für solche Vorhaben auch nicht das Geld bei uns in Österreich da. Die Europameisterschaft 2008 wäre in der Stadionfrage eine große Chance speziell für Wien gewesen, die man schlichtweg verpasst hat. Heute stehen wir mit der Infrastruktur besser da, auch im Sportlichen können wir sehen, dass erfreulicherweise zwei Vereine an der Champions League teilnehmen.

Die Investitionen in die „Beine“ war früh im Verband erkannt worden. Paul Gludovatz, Ernst Weber, Gerhard Hitzel und Bruno Pezzey leisteten hier Pionierarbeit, um die Lücke zu den anderen europäischen Nationen im Nachwuchsfußball zu schließen. Heute schafft es unser Teamchef Ralf Rangnick im Erwachsenenfußball die Früchte aus der Nachwuchsarbeit zu ernten, um auf höchster Ebene die Leistung in Erfolge eindrucksvoll umzusetzen.

Und wie sieht’s außerhalb des österreichischen Fußball-Mikrokosmos?

Für die große weite Fußballwelt stimmt mich der Blick auf die Gesamtentwicklung wenig positiv. Dass zum Hundert-Jahre-Jubiläum, dem „Centenario“, die Fußball-Weltmeisterschaft nicht vollständig in Südamerika veranstaltet wird, ist unfassbar. Da geht es nicht bloß um die Symbolik. Ich war letztes Jahr auf einer Südamerika-Tournee und diese Staaten hätten sich die WM verdient und dringend als Investitionsschub benötigt. Stattdessen wird die WM auf drei Kontinenten gespielt, um 2034 die nächste in Saudi Arabien auszutragen. So viel zum Thema Nachhaltigkeit, aber diesbezüglich sollten wir Europäer nach der Europameisterschaft 2020 uns selbst an der Nase nehmen (Anm.: diese wurde aufgrund einer Idee des damaligen UEFA-Präsidenten Michel Platini im Jahr 2021 in zehn unterschiedlichen Ländern ausgespielt).

Das Maximum geht immer auf Kosten anderer, während das Optimum im Interesse vieler steht. Insofern stellt der Fußball ein Spiegelbild des aktuellen Zeitgeistes dar. Es geht um Eigeninteressen weniger Protagonisten, die auf internationaler Ebene den Sport lenken und die grundlegenden Entscheidungen mit enormen finanziellen Auswirkungen bestimmen. Mir fehlt das Korrektiv. Die WM 1978 in Argentinien wurde mit 16 Mannschaften ausgespielt. Da hat man sein Panini-Album noch vollbekommen und die Spieler jedes Nationalteams auch tatsächlich gekannt. Am nächsten Turnier nehmen 48 Mannschaften von 211 Verbänden teil. In Europa kann sich heute jede zweite Nation für eine EM-Endrunde qualifizieren.

Auf Vereinsebene haben wir eine Champions League mit 36 Mannschaften, die nach der Reform eine Super League durch die Hintertür ist. Die Kluft zwischen den reichen Vereinen und den Mannschaften abseits der Top-5-Länder wird immer größer. Mit der Einführung des historischen Klub-Koeffizienten inklusive der Zuteilung von Bonuspunkten für vergangene, bis zu 60 Jahre zurückliegende Europacuptitelgewinne wurde die Verteilung der üppigen Prämien nochmals um ein ordentliches Stück unausgewogener.

Kommen wir zu Deinem Buch. Was war die Motivation dieses über Deinen Karrierelaufbahn zu schreiben?

Im Traum hätte ich mir nie gedacht, dass ich in diesem Leben ein Buch schreiben werde. Unser lieber Freund und Masseur Manfred Posch bestärkte mich als Anti-Fußballer, all meine Erzählungen in schriftlicher Form festzuhalten. Ich entgegnete ihm „Was will der kleine Georg Pangl aus Stotzing den Leuten erzählen?“. Er stimmte mich zuversichtlich, dass genau diese Geschichte „vom kleinen Georg aus der Provinz“ den Unterschied ausmacht. Nach einer Zeit fragte ich den späteren Co-Autor Markus Geisler, was er denn von dieser Idee hielt. Gemeinsam haben wir mit einem Kapitel gestartet und so ging es dahin.

Vor zwei Jahren veröffentlichten wir das Buch. Bei der Premiere waren viele Wegbegleiter aus meiner früheren Zeit wie Hans Krankl, Ernst Baumeister und Toni Polster dabei. Rückblickend betrachtet liest sich für mich das Buch wie ein Film. Alle meine Helden aus der Nationalmannschaft 1978 und viele mehr durfte ich im Zuge der 35 Jahre persönlich kennenlernen. Im Fußball zu arbeiten war und ist ein Privileg für mich – und all die Strapazen und auch zugegebenermaßen Entbehrungen waren es wert.

Nach Deiner Rückkehr nach Österreich, hast Du Dich in die Selbstständigkeit begeben. Wie ist es zur Pangl Football Group gekommen?

Ja. 2019 habe ich nach fünfeinhalb Jahren Schweiz mit mehr als 250 Flügen im Jahr und der weiten Distanz zu meiner Familie unter der Woche ein neues Kapitel in meinem Leben aufgeschlagen. Nach einem langen und auch oft steinigen Weg haben wir unsere Ziele bei der Vereinigung der European Leagues (EL) erreicht. Ein wesentlicher Meilenstein war, dass der EL-Präsident nun im Exekutivkomitee des europäischen Dachverbandes UEFA sitzt.

Ohne einen Plan für die Zeit danach, übergab ich das Ruder in Nyon und war erstmals wieder zuhause. Diese ungewöhnliche Episode als ich aus versicherungstechnischen Gründen mich beim AMS in Eisenstadt meldete, habe ich auch in meinem Buch beschrieben. Das stellte sicherlich eine Zäsur dar. Im Nachhinein fühlt sich die Zeit davor wie eine Scheinwelt an, auch wenn ich stets versuchte, ein bescheidener Mensch mit beiden Füßen fest am Boden zu bleiben. Meine Wurzeln in Stotzing habe ich nie vergessen. Ich hätte nie für Ruhm, Ehre oder des Geldes wegen meine Heimat aufgegeben.

Ab einem gewissen Zeitpunkt stellte sich die Frage, was ich mit der mir bis zur Pension – und darüber hinaus – stehenden Lebenszeit, meinem Netzwerk und den vorhandenen Kontakten zu Wege bringe. Eine Karriere als Angestellter in einem Unternehmen war für mich als Alternative schwer vorstellbar. So gründete ich die Pangl Football Group. Mittlerweile setze ich mich verstärkt für das Thema Nachhaltigkeit im Fußball ein. Das beginnt bei der Anreise der Fans zum Stadion. Hier möchten wir in Zukunft über die „ummadum“ Fan-App den CO2-Fußabdruck solcher Reisen transparent machen oder mit der ACAEDEMY.WS mehr Bewusstsein zum Thema Klimawandel generell schaffen. Zudem leiste ich als Speaker meinen Beitrag zur Aufklärungsarbeit auf dem Gebiet der Good-Governance-Strukturen im internationalen Fußball.

Welche Bedeutung misst Du Deiner burgenländischen Herkunft bei?

Ein Baum kann ohne Wurzeln nicht wachsen. Das Burgenland ist nach meiner Familie eine zentrale Säule in meinem Leben. In meiner internationalen Karriere habe ich immer wieder versucht, das Burgenland anderen Leuten zu erklären. Diese Idylle, die bodenständigen Leute und ihre positive Grundeinstellung. Ich bin Geburtsjahrgang 1965. Da spielen natürlich Verklärungen und Erinnerungen aus den Tagen meiner Kindheit eine Rolle. Insbesondere die zu Beginn erwähnte Bäckerei meiner Großeltern und die familieneigene Landwirtschaft. Als Wochenpendler in die Schweiz war für mich immer klar, dass das kleine, aber feine Stotzing mein Heimathafen bleiben wird. Wir können sehr stolz auf unser Bundesland sein, wie es sich aus einer sehr schwierigen Situation in der Nachkriegszeit entwickelt hat. In meiner gemeinsamen Zeit mit Paul Gludovatz wurde mir bewusst, von welchem feinen Typ der Burgenländer ist. Einerseits verlässlich und fleißig, andererseits gesellig und mit einem starken Zusammengehörigkeitsgefühl ausgestattet.

Wie siehst Du das Vereinssterben im Burgenland? Die demographische Entwicklung macht’s nicht besser.

Zweifellos ist es eine Gegebenheit, dass unsere Bevölkerung immer älter wird. Die geburtenstarken Jahrgänge stammen noch aus meiner Kindheit. Trotz der widrigen Umstände zolle ich allen Vereinsverantwortlichen großen Respekt für ihr Engagement. Die Spielgemeinschaften sind teilweise eine Art Leistungszentren im Breitenfußball geworden. Doch wie bekommen wir die Breite und Inklusion im Fußball wieder zurück? Die Konsequenz sind momentan unterbesetzte Reserven in den verschiedenen Klassen. Meines Erachtens brauchen wir die Basis von der Jugend an, denn auch die weniger talentierten, dafür mit Herzblut spielenden Nachwuchskicker sind das Rückgrat der Reserven und später der Vereine als Funktionäre.

Uns muss auch bewusst sein, dass es am Ende des Tages der Fußball wie kein anderer Sport im Burgenland schafft, seinen Trumpf auszuspielen. Der Fußball fördert den Zusammenhalt in der Ortschaft und das gesellige Beisammensein am Wochenende. Für die lokale Gemeinschaft stellt er auch manchmal einen Ersatz für das geschlossene Wirtshaus im Ort dar. Diesen sozialen Aspekt des Fußballs sollten wir niemals unterschätzen. Was mich positiv stimmt, ist, dass genügend Gemeinden auch wachsen. Der lokale Fußballverein kann von den Kleinen aufwärts eine wichtige Funktion in der Integration der neuen Mitbewohner ausfüllen.

Lass‘ uns zum Abschluss einen Blick in die Ferne wagen: wann spielt’s wieder Profifußball im Burgenland?

Wir sehen Ambitionen im Süden von Gerhard Horn mit dem SV Klöcher Bau Oberwart. Auch der SC Neusiedl leistet mit Peter Eigl vorbildliche Arbeit bis zum Nachwuchs, Parndorf und der Mattersburger SV sind gut in der Burgenlandliga unterwegs. Die zweite Bundesliga, wo Vereine nicht sofort auf den Vollprofessionalismus umstellen müssen, ist in der jüngeren Zukunft durchaus realistisch. Eine Perspektive sehe ich im organischen Wachstum mit aussichtsreichen Talenten aus der Burgenland-Akademie. Ich bin sehr zuversichtlich, dass sich für unsere Nachwuchsspieler der burgenländische Weg von der Akademie Burgenland über die Landesliga oder Regionalliga in Richtung Profifußball als eine lohnenswerte Alternative zu den Akademien in den anderen Bundesländern entwickelt.

 

Sautanz Word-Shuffle:

Glück

Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied.

Bergsteiger-Wurst

Stillte meinen Hunger in jungen Jahren, als ich meine ersten Reisen für den ÖFB ins Ausland unternommen habe.

Brückenbauer

War mir augenscheinlich unbewusst in die Wiege gelegt worden und half mir in vielen Lebensphasen.

Heimat

Heimat ist dort, wo die Familie ist – und für mich Stotzing im Burgenland.

Mündige Spieler

Finde ich gut. Sehe ich als einen Teil von Leadership ohne aber dabei die eigene Tätigkeit zu vernachlässigen oder den Bogen zu überspannen.

Sautanz

Erinnert mich an meine Kindheit und an das Elternhaus in Stotzing. Blunzen, Presswurst, Grammeln,… der Onkel wusste, wie man die Sau sticht. Die helfenden Hände wurden mit einem oder mehreren Spritzer belohnt. Ich muss dazu sagen, dass mir die chancenlose Sau immer leidgetan hat.

 

Schlussbemerkung:

Die Ereignisse rund um das Ende von Georg Pangl als BFV-Präsident trugen sich nach dem Interview zu. 

Teilt uns gerne eure Meinung zum Interview mit Georg Pangl mit einem Kommentar mit!

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