Dieses Mal gehen wir in der Sommerzeit hoch hinaus, „steigen“ auf das heiße Dach und befassen uns näher mit der Dach-Hauswurz und einigen Verwandten. Manche wachsen sogar über der Baumgrenze in den Alpen.
von Franz Lex
Die Gemeine Dachwurz (Sempervivum = immer lebend), Hauslaub oder Hauslauch, wie sie auch genannt wird, ist eine immergrüne, hitze- und kältebeständige, pflegeleichte, unverwüstliche Pflanze aus der Familie der Dickblattgewächse und gedeiht hervorragend unter kargsten Bedingungen auf den Dächern der im Burgenland vor vielen Jahrzehnten noch typischen stroh- und schilfgedeckten Gebäuden.
Diue typischen strohgedeckten Häuser gibt es vereinzelt noch im Burgenland.
Kaiser Karl der Große lässt Dachwurz anbauen
Vom Donnerkraut, wie die kleinwüchsige Pflanze auch genannt wird, ist Karl der Große überzeugt, dass es auf dem Dach gepflanzt vor Blitzeinschlag bewahrt und so Brände in seinem riesigen Reich verhindern kann. Im Jahre 795 lässt er den Anbau von Hauslauch, wie die Pflanze damals genannt wird, auf Dächern schriftlich anordnen. Es ist auch wissenschaftlich erwiesen, dass die Blattspitzen die bei Gewittern entstehende elektrische Spannung zwischen Luft und Dach gut ausgleichen und verteilen können.
Auch Insketen lieben diese Pflanze.
Eine Pflanze für „ois“: Aberglaube und Brauchtum
Die Dach-Hauswurz ist eine alte sowohl Heil- und Zauber- als auch Zierpflanze mit vielen volkstümlichen Bezeichnungen: Dachkraut, Dachlauch, Dachwurz, Dachzwiebel, Gottesbart, Grindkopf, Hausampfer, Mauerkraut, Hauslaub, Ohrpeinkraut, Warzenkraut, Zidriwurzn.
Die Bezeichnungen Jupiterbart, Donarsbart, Donnerbart, Donnerkopf, Donnerkraut, Donnerwurz, Dunnerknöpf und Gewitterkrut gehen eher auf die Götter Jupiter und Donar zurück, die den Blitz unter Kontrolle haben, und die nach ihnen benannte Hauswurz Blitzeinschläge und Brände verhindern soll.
- Mit Hauswurz dicht bepflanzte Dächer sich feuchter und nicht so leicht entflammbar, halten loses Stroh und lose Ziegel besser zusammen und verhindern am First das Eindringen von Regenwasser.
- Auf Viehställen gepflanzt, soll Dach-Hauswurz vor Tierseuchen bewahren.
- Auf Häusern gepflanzt bringt Hauswurz Glück, aber die Blüten, weil die Rosetten absterben, bringen Unglück.
- Nach Entfernen der Hauswurz vom Dach zieht das Glück fort!
- In manchen Gegenden kündigen lange Blütentriebe mit weißen Blüten einen Todesfall und mit roten Blüten ein freudiges Ereignis an. Bei weißlich-rosa Blüten bereitet die Zuordnung von Ereignissen einen murds Erklärungsbedarf!
- Der Saft der Hauswurz mache die Haut schön und vertreibe Sommersprossen.
Im vorderen Bereich das Vieh (Kühe), hinten die Schweine und darüber die Hühner.
Maonte, Iachte, Mitte, Pfingste, Freite, San(m)ste, Sunnte (Wochentage)
In einem Hexensalbenrezept mit sechs Pflanzen steht, dass am „Pfinztog“ (Donnerstag) der Bart von Jupiter (Dachwurz) gesammelt werden soll.
Blütensprosse überleben nicht
Eine Pflanze mit dicken, fleischigen Blättern, die dicht, dachziegelartig an den kurzen, kugeligen, unfruchtbaren Sprossen angeordnet sind, gehört einfach aufs Dach, wo es kaum eine andere aushält. Im Laufe von Jahren bildet sich ein grüner Teppich, eine Augenweide, aus dem sich vereinzelt aus fruchtbaren Sprossen bis zu über einen halben Meter hohe mit dicken, fleischigen Blättern versehene Blütenstängeln entwickeln, die nach der Blüte komplett absterben.
Auf das gemeinsame Blühen wird Wert gelegt!
Sobald die Samen ausgebildet sind, wird die Wasserzufuhr eingestellt und die Rosette stirbt ab.
Ein Hauswurzsteingarten ist auch Lebensraum und Nahrungsquelle für viele Tiere
An einem sonnigen Platz im Hausgarten bildet ein vier- oder dreieckiger, ovaler oder runder Steingarten mit großen Steinen als Umrandung und wahllos verteilt im Feld einen ansehnlichen und interessanten Naturblickfang. Mit einem Gemisch aus Sand und alter Komposterde gefüllt wird der Steingarten mit den alljährlich neu gebildeten Sprossen verschiedener Hauswurzarten, den sogenannten Kindln, bepflanzt. Steine bieten verschiedenen Insekten und Spinnen Jagdreviere und Unterschlupfmöglichkeiten und dienen ebenfalls als Warmup-Plätze, da sie hervorragende Wärmespeicher sind. Erdkröten, Eidechsen und Schlangen nutzen größere Steingärten ebenfalls als Lebensraum. Die Blüten als Nektar- und Pollenlieferanten werden von verschiedenen Insekten besucht. Vorgezogene Kindln können auch in Steinschlichtungen, Steinhaufen und Mauerspalten „eingebaut“ werden.
Honigbiene und Tagpfauenauge bei der gemeinsamen, lebensnotwendigen Beschäftigung
Kindl mit Luftwurzeln lösen sich von der Mutterpflanze, ziehen sich zu einer Kugel zusammen und warten freiliegend auf den nächsten stärkeren Wind oder Starkregen, um „bewegt zu werden“. An einer passenden kahlen Stelle verankern sie sich mit den Luftwurzeln in der Erde und bilden noch im selben Jahr Kindln aus.
Neben Dornschrecken genießen die seltenen Kleinen Knarrschrecken, die nur an einigen Stellen im Nordburgenland und im südlichsten Teil des Burgenlandes vorkommen, das Leben und die Liebe in einem Steingarten in unserem Naturgarten, in dem nur mit Sense gemäht wird!
Eine unserer kleinen Würgeschlangen (Schling- oder Glattnatter) lebt in einem unserer Hauswurzgärten.
Die von uns vorgezogenen Kindln im hölzernen „Geschenkskisterl“ werden einen Teil einer strauchfreien Böschung in Jena (D) mit anderen Dachwurzarten (Spinnweb-Hauswurz etc.) und Sukkulenten abdecken, wo eine unserer Töchter mit ihrer Familie wohnt.
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