Insektenschutz – Die Gottesanbeterin (Teil 3)

Nach Hornissen und Wildbienen setzen wir unsere Serie mit einem außergewöhnlichen, faszinierenden und einzigartigen Tier fort: Die Gottesanbeterin, ein Tier, das im wahrsten Sinn des Wortes „fost olle Stickln spüt“!

von Franz Lex

Die Gottesanbeterin, auch Gemeine Gottesanbeterin genannt, gehört zur weltweit über 2.300 Arten umfassenden Ordnung der Fangschrecken. Ursprünglich in Afrika vorkommend besiedelt sie durch Verschleppung – außer Australien – alle Kontinente. Da sie die einzige Vertreterin der Fangschrecken in Mitteleuropa ist, wird sie auch Europäische Gottesanbeterin genannt.

Mit unseren Heuschrecken nicht verwandt

Gottesanbeterinnen, reine Fleischfresser, sind nicht mit unseren Heuschrecken verwandt, sondern mit den bei uns vorkommenden Bernstein-Waldschaben, die sich von abgestorbenem Pflanzenmaterial ernähren, näher verwandt.

Bernstein-Waldschabe auf Himbeerblatt.

Aus dem Ei schlüpfen Miniausgaben der erwachsenen Tiere

Im Herbst legen Gottesanbeterinnen ihre Eier in Eikokons, sogenannte Ootheken, die Klumpen von Montageschaum ähneln, auf verholzten Pflanzenstängeln, Totholz, Sträuchern, Steinen, Zäunen und Gegenständen im Hausgarten bis ca. einem Meter über den Boden ab, die keinesfalls entfernt werden sollen. Die isolierenden Schichten schützen die Eier im Winter vor Kälte und dem Austrocknen. Ab Mitte Mai zwängen sich die ca. fünf Millimeter kleinen Larven aus dem Eikokon. Da nach dem Schlüpfen das „große Fressen“ beginnt, verteilen sich die sehr flinken Larven sofort in der Umgebung, um sich auf die Suche nach Beute zu begeben und nicht von ihren mit ihnen geschlüpften Artgenossen (Kannibalismus) gefressen zu werden.

Oothek einer Gottesanbeterin auf Grashalm.

Links: Geschlüpfte Gottesanbeterinnen nach dem Verlassen des Eikokons. Rechts: Geschlüpfte Larve in Lauerstellung.

Gut getarnt fressen sie . . .

Gottesanbeterinnen sind in der Vegetation von Waldrändern, Hecken, Wiesen, Obst- und Hausgärten kaum ausfindig zu machen, da sie grün oder braun gefärbt hervorragend getarnt sind, verweilen lauernd oft stundenlang regungslos mit gefalteten Fangarmen (Name) und halten mit ihren großen Facettenaugen auf dem dreieckigen, großen und sehr beweglichen Kopf, der eine Rundumsicht von 360 Grad ermöglicht, Ausschau nach einem Beutetier. Ist die Beute in der Nähe, schreitet die Gottesanbeterin im Zeitlupentempo wie ein Chamäleon in vor- und zurückwippenden Bewegungen die Beute im Auge behaltend – ähnlich einem Blatt im Wind – so nah als möglich an sie heran, bevor sie mit den dornenbewehrten Fangarmen blitzschnell zupackt, die Beute wie in zwei zugeklappten Taschenmessern mit den Dornen verankert und – direkt vor den Mundwerkzeugen serviert – sogleich verspeist.

Kopf der Gottesanbeterin mit den großen Facettenaugen und den langen Fühlern, die beim Paarungsverhalten eine wichtige Rolle spielen. Sie enthalten Sinnesorgane, um Gerüche wahrzunehmen und Beute und Partner bzw. Weibchen zu lokalisieren.

Braune Gottesanbeterin: Gut getarnt und doch von mir entdeckt!

. . . und werden trotz guter Tarnung auch gefressen

Fressfeinde der Gottesanbeterin sind Säugetiere, Vögel, Eidechsen, Spinnen und auch Insekten, wie u.a. Ameisen und Libellen. Sehr oft gelingt es ihr auch, Fressfeinde durch für sie typische Abwehrhaltungen und ein Geräusch zu irritieren bzw. in die Flucht zu schlagen, indem sie augenähnliche Zeichnungen (Mimikry) auf der Innenseite ihrer Fangbeine zeigt, ihre Flügel aufstellt und mit Flügeln reibend ein abschreckendes Geräusch erzeugt.

Da wir als Mitbewohner in unserem Naturgarten für die Gottesanbeterin keine Gefahr darstellen, darf ich sie auf drei Schreitbeinen völlig entspannt abgehängt bei der „Klauenpflege“ am rechten Hinterbein, das mit dem rechten Fangbein stabilisiert wird, fotografieren, wobei die „Augenflecken“ auf den Innenseiten der offenen Fangbeine gut sichtbar sind.

Auf der Außenseite unseres Küchenfensters hat sich der „Gottesanbeter“ (Männchen) im Spinnennetz verheddert und stellt zur Abschreckung die Flügel auf, um größer zu wirken, bevor er sich befreien kann.

Vertilgt wird alles, was überwältigt werden kann

Am Anfang der Entwicklung bilden Blattläuse und andere kleine Insekten inkl. Artgenossen die Hauptnahrung, die später auf größere Insekten, wie Honigbienen, Wespen, Heuschrecken, Wildbienen, Fliegen, Schmetterlinge, Artgenossen etc. ausgedehnt wird. Spinnen und ihre Verwandten, die Bernstein-Waldschaben, in jeder Größe werden auch nicht verschmäht.

Links: Auch Heuschrecken nutzen unseren Pfostenzaun zum Sonnenbaden. Rechts: Das Wespenspinnenmännchen wird normalerweise (nach der Paarung) vom Wespenspinnenweibchen gefressen.

Manche Gottesanbeterin macht sich selbst zur Witwe

Nach mehreren Häutungen erreichen Männchen eine Größe bis zu sechs und Weibchen bis zu acht Zentimeter und werden geschlechtsreif. Sowohl Männchen als auch Weibchen haben im Erwachsenenstadium Flügel, wobei Weibchen zu schwerfällig sind, um zu fliegen. Dagegen können sich Männchen fliegend vor Fressfeinden retten bzw. durch Pheromone angelockt zu den Weibchen fliegen. Der sogenannte Sexkannibalismus ist bei Gottesanbeterinnen (und einigen Spinnen) gang und gäbe, aber nicht die Regel, bei dem die Männchen schon während der Paarung enthauptet werden bzw. danach für die Eierproduktion Verwendung finden.

Links: Größe S ist zu eng! Größe M passt genau! Rechts: Dieses Männchen wird nicht verspeist.

Geht´s den Gottesanbeterinnen gut, dann geht´s auch Beutetieren und Fressfeinden gut

Nach der Paarung heftet das Weibchen ihre bis zu vier schaumähnlichen und einige Zentimeter langen Gebilde mit je ca. 80 Eiern an einem vor Fressfeinden (Vögel) gut geschützten Platz ab. Im Spätherbst sterben die trägen Alttiere, wenn sie nicht schon vorher von Vögeln und Eidechsen entdeckt und gefressen werden. Die Artenvielfalt von Tieren und heimischen Pflanzen ist der Garant für das Vorkommen der faszinierenden Gottesanbeterin im Hausgarten!

Die Gottesanbeterin ist ein ganz besonderes Insekt

Da „Gottesanbeter“ auch keine Balzlaute wie Heuschrecken von sich geben, sind sie auch akustisch nicht wahrnehmbar und noch schwerer zu finden.

Die markante Gestalt mit den beiden Fangbeinen in Ruhestellung vor dem Körper weckt viele Deutungen und beeinflusst verschiedenste Kulturen: Ihr werden übernatürliche Kräfte zugesprochen. Sie gilt als Symbol für Geduld, Beständigkeit und Wachsamkeit und wird als Begleiterin der Toten in die Ewigkeit verehrt, einbalsamiert bestattet, in Totenbüchern erwähnt und auf Bildern und Münzen verewigt.

Beide gut getarnt für den Winter in Braun gehalten: Gottesanbeterin und Eikokon der Wespenspinne!

Praktische Tipps

Wer einen Teil seiner Fläche umgestalten und nicht nur Gottesanbeterinnen erleben, beobachten und fotografieren will, kann im Hausgarten

  • Laub liegen lassen (Lebensraum, Winterquartier und Nährstoffspender),
  • wilde Ecken mit Brennnessel, Käsepappel, Eibisch, Oregano, Rosmarin usw. (Heil- und Gewürzkräuter) gestalten,
  • Vogelschutzhecken mit Salweide, Weißdorn, Liguster, Schlehe und anderen Sträucher anlegen,
  • für einen immergrünen Zaun Eiben statt für die Natur wertlosen Kirschlorbeer pflanzen (In der Schweiz ist der Verkauf von Kirschlorbeer schon verboten!),
  • statt Schottergärten blühende Polsterstauden (Sonnenhut) setzen,
  • an der Grundstücksgrenze eine Totholzhecke anlegen,
  • naturschonend mähen und
  • Nistkästen auf Bäumen anbringen.

Das lockt verschiedene Insekten, wie Hummeln und andere Wildbienen, Schmetterlinge, Heuschrecken etc., Spinnen, Amphibien, Reptilien, Kleinsäugetiere und Vögel an, die für ein natürliches Gleichgewicht sorgen.

🗨 Kommentare ( 0 )